Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
ohne sie noch mit neuen Höflichkeiten zu überschütten und mit der Absicht, ein Gespräch wieder anzuknüpfen, aus dem er noch so vieles erfahren konnte.
    Es erscheint hier am Platze, das, was er über die Vergangenheit und die Gegenwart der beiden jungen Leute nicht gehört hatte, kurz zusammen zu fassen.
    Marcel Lornans und Jean Taconnat waren Geschwisterkinder durch ihre Mütter, zwei Schwestern und geborne Pariserinnen. Beide verloren ihren Vater sehr frühzeitig und wuchsen unter mäßigen Vermögensverhältnissen auf. Erst Zöglinge derselben Schule, wandte sich Jean Taconnat nach Absolvierung derselben der höhern Handelswissenschaft zu, während Marcel Lornans sich dem Studium der Rechte widmete. Sie gehörten von zu Hause den kleinbürgerlichen Handelskreisen von Paris an und hatten keinen hohen Ehrgeiz. Eng verbunden, gleich zwei Brüdern im nämlichen Hause, empfanden sie für einander die wärmste Zuneigung, eine Freundschaft, deren Band nichts würde zerreißen können, obwohl ihre Charaktere starke Unterschiede zeigten.
    Der nachdenkende, aufmerksame und ordnungsliebende Marcel Lornans hatte das Leben frühzeitig von seiner ernsten Seite aufgefaßt.
    Jean Taconnat dagegen war der richtige Gassenbube, ein entsprungenes Fohlen von permanentem Uebermuth. Er liebte das Vergnügen vielleicht etwas mehr als die Arbeit und war der, der das Haus immer in Bewegung und in lustiger Stimmung erhielt. Zog er sich durch seine ungestüme Lebhaftigkeit auch zuweilen Vorwürfe zu, so verstand er es doch aus dem Grunde, sich dafür Verzeihung zu erwirken. Im übrigen aber besaß er, ganz wie sein Vetter, Eigenschaften, die seine Fehler reichlich aufwogen.
    Beide besaßen ein gutes, ehrliches und edles Herz. Einer wie der Andre verehrte seine Mutter aufrichtig, und man wird es Frau Lornans und Frau Taconnat verzeihen dürfen, ihre Kinder bis zur Schwäche geliebt zu haben, da diese das wenigstens nicht mißbraucht hatten.
    Mit zwanzig Jahren traten sie als »Dispensierte« (etwa »Freiwillige«) ins Heer ein, wo sie nur ein Jahr unter der Fahne zu verbringen hatten. Ihre Zeit dienten sie in einem Jägerregiment ab, das nicht weit von Paris in Garnison lag. Auch hier wollte es das Glück, daß sie dieselbe Compagnie wie dasselbe Zimmer theilten. Das Leben im Quartier war ihnen keineswegs unangenehm. Sie verrichteten ihren Dienst mit Eifer und gutem Humor, waren vortreffliche Soldaten, die von ihren Vorgesetzten belobt, von ihren Kameraden geliebt wurden, und wären sie von Kindheit auf mehr darauf hingewiesen worden, hätten sie sich wohl nicht ungern dem Kriegshandwerk gänzlich gewidmet. Während ihres Urlaubs hatten sie zwar noch einige Stubenarreste abzumachen – und wer sich solche nicht zuzieht, scheint bei den Soldaten nicht gut angeschrieben zu stehen – dennoch verließen sie schließlich das Regiment mit dem Zeugniß »Gut« in der Tasche.
    Ins mütterliche Haus zurückgekehrt, sahen Marcel Lornans und Jean Taconnat, die jetzt einundzwanzig Jahre zählten, wohl ein, daß die Stunde gekommen sei, an ernsthafte Arbeit zu gehen. In Uebereinstimmung mit ihren Müttern entschieden sich beide für den Eintritt in ein hochgeachtetes Handelshaus.
    Hier sollten sie sich zuerst über den ganzen Geschäftsgang unterrichten und sich dann selbst mit einem kleinen Capitale betheiligen.
    Frau Lornans und Frau Taconnat redeten ihren Kindern zu, dem Glück auf diesem Wege die Hand zu bieten. Ihnen schien damit die Zukunft der geliebten Söhne gesichert. Sie schwelgten schon in dem Gedanken, daß jene in einigen Jahren etabliert sein, eine passende Ehe eingehen würden, daß sie aus einfachen Angestellten Associés, später, wenn auch noch jung an Jahren, Alleineigenthümer wären, daß ihre Geschäfte blühten, der hochachtbare Name der Großväter in den Enkeln fortleben werde u. s. w. u. s. w. – kurz, sie hegten allerlei Träume, wie alle Mütter, denen solche ja tief aus dem Herzen kommen.
    Diese schönen Träume sollten leider nicht in Erfüllung gehen. Einige Monate nach ihrer Heimkehr vom Regiment und noch vor dem Eintritt in das Handelshaus, in dem sie sich die ersten Sporen verdienen sollten, traf die beiden Vettern ein doppelter, sie schmerzlichst verwundender Schicksalsschlag.
    Eine epidemische Krankheit, die die mittleren Viertel von Paris schwer heimsuchte, raffte Frau Lornans und Frau Taconnat binnen wenigen Wochen hinweg.
    Welcher Schmerz für die jungen Leute, die nun, von demselben Blitzstrahl getroffen,

Weitere Kostenlose Bücher