Clovis Dardentor
Folge dieses Sachverhalts war übrigens, daß sich Marcel Lornans und Jean Taconnat von ihrem Retter jetzt recht vernachlässigt sahen. Seit dieser das Hôtel verlassen hatte, sahen sie ihn nur selten und höchstens beim zufälligen Begegnen auf der Straße, wo er, immer geschäftig, ein umfangreiches Actenbündel unter dem Arme trug Ohne Zweifel befand sich der »Perrichonismus« Clovis Dardentor’s gegen die beiden Pariser jetzt in der Abnahme, der Ostpyrenäer schien sich gar nicht zu erinnern, daß er sie, erst jeden einzeln, aus den rauschenden Fluthen und den züngelnden Flammen, und einmal beide zugleich bei dem Kampfe mit den Raubthieren gerettet hatte.
»Mein lieber Marcel, äußerte deshalb eines schönen Morgens Jean Taconnat, wir müssen nun zu einem Entschluß kommen. Da wir hierher gereist sind, um Soldaten zu werden, so mag es dabei bleiben! Wann, denkst Du, wollen wir zu dem Unterintendanten und dann nach dem Recrutierungsbureau gehen?
– Morgen,« antwortete Marcel Lornans.
Als Jean Taconnat am andern Tage aber die nämliche Frage wiederholte, erhielt er ganz dieselbe Antwort.
Marcel Lornans betrübte es am meisten, daß er jetzt gar keine Gelegenheit hatte, Louise Elissane einmal zu sehen. Das junge Mädchen ging fast gar nicht aus. Die kleinen Abendgesellschaften in der Alten Schloßstraße hatten aufgehört. Man sprach unter der Hand schon von der bevorstehenden Vermählung des Herrn Agathokles Désirandelle mit Fräulein Louise Elissane. Marcel Lornans war in Verzweiflung.
Eines Morgens kam da Clovis Dardentor ins Hôtel, um die beiden jungen Leute zu besuchen.
»Na, liebe Freunde, platzte er ohne lange Vorrede heraus, wie steht’s denn mit dem Engagement?…
– Morgen, antwortete Marcel Lornans.
– Ja, morgen, erklärte auch Jean Taconnat, unbedingt morgen, lieber Herr Dardentor!
– Morgen? wiederholte dieser, nein, nein, zum Teufel, nein, sag’ ich. Ihr habt noch Zeit genug, unter die Siebenten Jäger zu kommen. Wartet nur ein wenig…. die Sache eilt nicht so sehr. Ich wünsche Eure Anwesenheit bei einer von mir geplanten Festlichkeit….
– Zur Vermählung des Herrn Désirandelle und des Fräuleins Elissane? fragte Marcel Lornans, dessen Züge sich sichtbar veränderten.
– O nein, doch zum Feste der Adoption… vor der Heirat. Ich rechne auf Euch Beide. Auf Wiedersehen!«
Mit diesen Worten verließ er sie, solche Eile hatte der Mann.
Unser Perpignaneser hatte sich im Canton Oran, dessen Friedensrichter den Adoptionsact vollziehen sollte, eine eigene Wohnung nehmen müssen. Dann waren vor genanntem Richter die Parteien erschienen: Frau und Fräulein Elissane, auf der einen, Herr Clovis Dardentor auf der andern Seite, alle mit ihren Geburtszeugnissen und den Belegen für Erfüllung der vorgeschriebenen Bedingungen für den Adoptanten und die zu Adoptierende.
Nach Erklärung der beiderseitigen Zustimmung setzte der Friedensrichter den Vertrag auf. Der Actuar des letzteren faßte dann das Ganze in ein Protokoll zusammen – dazu brauchte er zehn Tage – dem die Geburtsscheine, die Zustimmungserklärungen nebst den nöthigen Belegen beigefügt wurden, und schließlich gelangte das Fascikel durch Vermittlung eines Rechtsanwaltes an den Procurator der Republik.
»Das ist aber auch ein Hin-und Herjagen, eine ewige Scheererei, schimpfte Herr Dardentor. Da kann Einem ja die Galle überlaufen!«
Nach Einsicht der Acten erklärte das erstinstanzliche Gericht, daß gegen die Adoption nichts einzuwenden sei. Hierauf wurde dieses Erkenntniß nebst den Acten an das Appellationsgericht in Algier gesendet, dessen Ausspruch denselben Tenor hatte. Dabei verging aber eine Woche nach der andern. Und die beiden Pariser gingen jeden Morgen am Militärbureau vorüber, traten aber niemals hinein.
»Nun geh’ mir Einer! sagte Dardentor. Der kürzeste Weg, ein Kind zu bekommen, ist doch der, daß man sich verheiratet!«
Nach der amtlichen Gestattung der Adoption wurde dieses Erkenntniß an dazu bestimmten Stellen und in vorschriftsmäßiger Anzahl von Exemplaren öffentlich ausgehängt. Clovis Dardentor, der die Angelegenheit am fleißigsten betrieb, hatte den Erlaß gleich durch Druck vervielfältigen und mit amtlichem Stempel versehen lassen. Endlich, endlich erfolgte die Uebersendung des Erkenntnisses an den Standesbeamten von Oran, der am Tage der Vorstellung der Betheiligten einen Eintrag in das Geburtsregister machen sollte – eine Formalität die binnen drei Monaten erfüllt sein
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