Clovis Dardentor
Ja, wer weiß?« antwortete Jean Taconnat, indem er mit dem Zeigefinger ein Fragezeichen in die Luft schrieb.
Dieses Zwiegespräch, das an gewissen unterscheidenden Zügen den Charakter der zwei jungen Leute erkennen läßt, wurde auf dem hintern Theile des Oberdecks geführt. Von der Bank an dem mit Netzwerk ausgefüllten Geländer wurde der Ausblick nach vorn nur durch die Commandobrücke unterbrochen. die zwischen Groß- und Fockmast des Dampfers emporragte. Etwa zwanzig Passagiere saßen auf den Seitenbänken oder auf Klappstühlen, die ein an spinnewebförmig verzweigtem Hißtau hängendes Zeltdach vor den Strahlen der Sonne schützte.
Zu diesen Passagieren gehörten auch Désirandelle und sein Sohn. Der erstere lief fieberhaft auf dem Deck hin und her und hielt die Arme einmal auf dem Rücken und dann wieder zum Himmel empor. Hierauf lehnte er sich über das Geländer und starrte in das Kielwasser des »Argeles«, als ob der zur Robbe verwandelte Herr Dardentor mitten in dem dahinwirbelnden Schaumstrome auftauchen sollte.
Agathokles beharrte bei der Bewahrung vollständigster Gleichgiltigkeit gegenüber der Fehlrechnung, die seinen Eltern so viele Unruhe und Aerger bereitete.
Von den übrigen Passagieren lustwandelten die einen, die gegen die, übrigens nur schwachen Bewegungen des Schiffes unempfindlicher waren, hin und her, plauderten, rauchten und ließen ein Fernrohr vom Dampfer von Hand zu Hand gehen, um die zurückweichende Küste zu betrachten, an der nach Westen hin schon einzelne stolze Berghäupter der Pyrenäen auftauchten; die andern, die von dem Schwanken des »Argeles« mehr belästigt wurden, saßen still auf den Rohrlehnstühlen in der Ecke, der sie für die ganze Ueberfahrtszeit den Vorzug gaben. Einzelne in Decken eingehüllte Damen, die der unvermeidlichen Unbehaglichkeit der Fahrt ergeben, wenn auch mit dem Ausdruck völliger Niedergeschlagenheit entgegensahen, hatten sich unter dem Schutz der Deckbauten mehr nach der Mitte zu niedergelassen, wo man das Stampfen und Rollen des Schiffes am wenigsten spürt… Gruppen von Müttern mit ihren Kindern, die ein recht hübsches Bild abgaben, doch gewiß bedauerten, nicht schon um fünfzig Stunden älter zu sein. Zwischen den weiblichen Reisenden bewegten sich die Stewardesses des Dampfers hin und her; zwischen den Herren mehrere Schiffsjungen, jedes Winks gewärtig, um herbeizueilen und ihre unentbehrlichen und oft erwünschten Dienste anzubieten.
Der Schiffsarzt des »Argeles« legte sich schon immer die gewohnte Frage vor, wie viele von den Passagieren wohl an der Tafel im Speisesalon Platz nehmen würden, wenn nach etwa zwei Stunden die Glocke zum Essen rief. Er täuschte sich auch nicht in der Annahme, daß wie gewöhnlich sechzig bis siebzig Procent davon bei der ersten Mahlzeit fehlen würden.
Es war das ein kugelrundes, lustiges, schwatzhaftes Männchen von unerschütterlicher guter Laune und trotz seiner fünfzig Jahre von überraschender Lebhaftigkeit. Er aß und trank tüchtig und besaß eine unglaubliche Sammlung von Recepten und Verordnungen gegen die Seekrankheit, an die er selbst nicht im geringsten glaubte. Er hatte aber so viele tröstende Worte zur Hand und redete seiner Passagier-Kundschaft so überzeugend zu, daß die unglücklichen Opfer Neptuns zwischen allem Jammer lächeln lernten.
»O, es wird nicht so schlimm werden, pflegte er zu sagen. Achten Sie nur hübsch darauf, beim Aufsteigen des Schiffes aus-und beim Senken desselben einzuathmen. Sobald Sie den Fuß wieder auf festen Boden setzen, ist die Sache gänzlich vorbei, dann fühlen Sie sich erst recht gesund!… Das verhütet viele spätre Krankheiten!… Ich sage Ihnen, so eine Ueberfahrt ist mindestens so viel werth, wie ein Saisonaufenthalt in Vichy oder in Uriage!«
Der »Argeles« dampfte mitten in die Durchfahrt ein. (S. 21.)
Die beiden jungen Leute hatten das lebhafte, muntre Männchen gleich anfangs gesehen, er nannte sich Doctor Bruno, und Marcel Lornans sagte zu Jean Taconnat:
»Das ist ja ein drolliger Doctor, der die Bezeichnung eines heimlichen Mörders nicht verdient…
– Doch nur, weil er eine einzige Krankheit behandelt, an der man überhaupt nicht zugrundegeht!«
»Ja, wer weiß?« antwortete Jean Tacounat. (S. 22.)
Und Herr Eustache Oriental, der nicht auf dem Verdeck erschienen war, unterlag dessen Magen schon bedauerlichen Umwälzungen oder – um einen Ausdruck aus dem Seemannsjargon zu gebrauchen – »zählte er
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