Clovis Dardentor
ihre Familie auf ihre Personen zusammengeschmolzen sahen. Sie waren wirklich wie vom Donner gerührt und konnten an ein solches Unglück gar nicht glauben lernen.
Jetzt mußten sie indeß nothwendig an die Zukunft denken. Sie erbten jeder etwa hunderttausend Francs, d. h. bei dem jetzt so sehr zurückgegangnen Zinsfuß eine Rente von drei-bis dreiundeinhalbtausend Francs. Bei so beschränktem Einkommen darf einer freilich kein Taugenichts oder Müßiggänger bleiben. Das wollten sie übrigens auch gar nicht. Doch war es rathsam, ihr kleines Vermögen in die zur Zeit recht schwierigen Geschäfte zu stecken, es den Wechselfällen der Industrie oder des Handels auszusetzen? Kurz, sollten sie den von ihren Müttern entworfnen Zukunftsplänen Folge geben?… Frau Lornans und Frau Taconnat waren ja nicht mehr da, sie dazu anzufeuern.
Nun gab es einen alten Freund der Familie, einen pensionierten Officier und früheren Rittmeister der Afrikanischen Jäger, der sich jetzt einmischte und dessen Einfluß sie unterlagen. Der Rittmeister Beauregard sagte ihnen grade heraus seine Meinung, die dahinging, daß sie ihr Erbtheil nicht aufs Spiel setzen. sondern es in guten französischen Eisenbahn-Obligationen anlegen sollten, sie selbst aber möchten, da sie sich ihrer Dienstzeit ja mit Vergnügen erinnerten, wieder ins Heer eintreten… da würden sie bald zu Unterofficieren avancieren… nach abgelegtem Examen in die Kriegsschule von Saumur eintreten… darauf Unterlieutenants werden… damit würde sich ihnen eine schöne, interessante und hochgeachtete Carrière eröffnen… ein Officier mit dreitausend Francs Rente, ohne seinen Sold zu rechnen, befand sich, wenn man dem Rittmeister Beauregard glauben durfte, in der beneidenswerthesten Lage von der Welt…. Dann das weitere Avancement… später das Kreuz der Ehrenlegion… endlich der Ruhm… kurz, alles, was ein alter Kriegsmann von den Truppen in Afrika nur sagen konnte….
Es mag dahingestellt bleiben, ob Marcel Lornans und Jean Taconnat die Ueberzeugung theilten, daß der Soldatenberuf vor allem geeignet sei, Kopf und Herz jede Befriedigung zu gewähren, und auch, ob sie sich ebenso »gradeheraus« auf das Antwort gaben, was der Rittmeister Beauregard ihnen vorgeschlagen hatte. Sprachen sie unter vier Augen darüber, so erörterten sie wenigstens mehr als einmal die Frage, ob das für sie der einzige empfehlenswerthe Weg sei und ob sie, dem Pfade der Kriegerehre folgend, auch ihrem Glück entgegengehen würden..
»Was wagen wir bei einem Versuche? sagte Jean Taconnat. Vielleicht hat unser graubärtiger Eisenfresser doch recht. Er bietet uns Empfehlungen an den Oberst der Siebenten Jäger in Oran an…. Fahren wir also nach Oran… unterwegs können wir uns die Sache ja noch überlegen. Sind wir dann auf algerischem Boden, so unterzeichnen wir den Dienstcontract oder lassen es bleiben.
– Dann hat es uns aber die Ueberfahrt dahin gekostet.. bedenk es wohl, eine ganz nutzlose Ausgabe, wendete der weise Marcel Lornans ein.
– Sapperment, Du bist doch die Vernunft selbst! antwortete Jean Taconnat. Mit dem Aufwande von ein paar hundert Francs haben wir dann aber den Boden des zweiten Frankreich betreten! Sieh, diese schöne Phrase allein ist schon das Geld werth, Marcel…. Und dann… wer weiß?…
– Was willst Du damit sagen, Jean?
– Was man gewöhnlich damit sagt, nichts weiter…«
Nun, Marcel Lornans ergab sich ohne langes Zureden. Es wurde beschlossen, daß die beiden Vettern mit dem Empfehlungsschreiben des alten Schwadronsführers an seinen Freund den Oberst der 7. Jäger in der Tasche, nach Oran reisen wollten. Dort angelangt, wollten sie sich die Sache aus der Nähe ansehen, und der Rittmeister Beauregard zweifelte gar nicht, daß ihre Entscheidung sich mit seinen Rathschlägen decken würde. Aenderten sie, wenn die Stunde zur Unterzeichnung des Dienstvertrages herangekommen war, ihre Entschließung, so stand es ihnen ja frei, nach Paris zurückzukehren und sich einer andern Laufbahn zuzuwenden. Aber selbst in dem Falle, daß ihre Reise nutzlos wäre, meinte Jean Taconnat doch, daß sie eine »circuläre« werden müsse. Was er unter diesem Worte verstand, war Marcel Lornans freilich nicht sofort klar.
»Ich verstehe darunter, fuhr jener deshalb fort, daß wir gut daran thun würden, uns bei dieser Gelegenheit das Land anzusehen.
– Und wie?
– Indem wir für Hin-und Rückreise verschiedne Wege wählen, das wird nicht viel mehr kosten, aber sehr
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