Clovis Dardentor
ich nicht, warum sie nicht für immer aushalten sollte.
– Gewiß, erklärte Jean Taconnat zustimmend, und wenn es Einem nie an dem nöthigen Heizmaterial fehlt…
– Daran wird mir’s niemals fehlen!« rief Clovis Dardentor, indem er an seiner Hosentasche schüttelte, die einen metallnen Klang von sich gab. Und nun, meine Herren, sind Sie damit fertig, mir blauen Dunst vorzumachen?
– Nein!« erklärte der Doctor Bruno.
Er versteifte sich darauf, den Perpignaneser an die Wand zu drücken.
»Weit gefehlt, lieber Herr, weit gefehlt! Es giebt keine Maschine, die sich nicht abnützte, und keinen so guten Mechanismus, daß er nicht zuletzt einmal entzwei ginge…
– Das hängt vom Maschinisten ab! entgegnete Clovis Dardentor, der sein Glas wieder bis zum Rande füllte.
– Am letzten Ende, fuhr der Doctor fort, mein’ ich, Sie werden doch einmal sterben.
– Warum soll ich denn sterben, da ich doch niemals einen Arzt consultiert habe?… Ihr Wohlsein, meine Herrn!«
Und in der allgemeinen Heiterkeit stieß er, sein Glas erhebend, lustig mit den Tischgenossen an und leerte es auf einen Zug. Die laute, erhitzte, betäubende Unterhaltung zog sich so bis zum Nachtisch hin, dessen Vielgestaltigkeit an Stelle der frühern Zwischenspeisen trat.
Der lustige Lärm von der Tafel mochte wohl die unglücklichen Passagiere nicht wenig belästigen, die in den Cabinen neben dem Salon ausgestreckt lagen und deren Beschwerden jene übermüthige Nachbarschaft gewiß nicht zu lindern geeignet war. Wiederholt hatte sich Herr Désirandelle auf der Schwelle des Speisesalons gezeigt. Da das Essen für ihn und seine Gattin im Fahrpreise inbegriffen war, kam es ihm schwer an, seinen Theil davon nicht verzehren zu können. Kaum hatte er aber die Thür geöffnet, da überfiel ihn vom Magen aus wieder der Schwindel und er eilte über Hals über Kopf nach dem Verdeck zurück.
Sein einziger Trost bestand darin, daß er sich sagte:
»Na, zum Glück ist unser Agathokles dabei, für drei Mann zu essen!«
Der junge Mann that wirklich sein möglichstes, die Ausgaben des Vaters wenigstens einseitig wieder hereinzubringen.
Nach Clovis Dardentor’s letzter Antwort schweifte das Gespräch nun nach andern Gebieten ab. Sollte man denn die Achillesferse des Bonvivants, des guten Essers und tüchtigen Trinkers nicht treffen können? Daß seine Gesundheit ausgezeichnet, seine Constitution vortrefflich, sein Organismus von erster Güte wären, das unterlag keinem Zweifel. Trotzalledem mußte er doch einmal aus dieser Welt scheiden, wie alle Sterblichen… sagen wir, wie fast alle, um ängstliche Gemüther nicht zu erregen. Und wenn nun diese Schicksalsstunde schlug, wem würde sein großes Vermögen zufallen? Wer würde Besitz nehmen von seinen Häusern, von den Mobilien des alten Küfermeisters von Perpignan, da ihm die Natur keinen directen, ja nicht einmal einen seitlichen Nachkommen, der erbberechtigt gewesen wäre, geschenkt hatte?
Auf diese Andeutung hin begann Marcel Lornans:
»Warum haben Sie nicht daran gedacht. sich Erben zu sichern?
– Ja… wie denn?
– Wie man das gewöhnlich macht, Sapperment! rief Jean Taconnat, indem Sie der Mann einer jungen, hübschen, gesunden, Ihrer würdigen Frau wurden.
– Ich?… Mich verheiraten?…
– Natürlich!
– Wahrlich, auf einen solchen Gedanken bin ich noch nie verfallen!
– Das wäre aber Ihre moralische Pflicht gewesen, Herr Dardentor, meinte der Kapitän Bugarach, and da es noch Zeit ist…
– Sind Sie denn verheiratet, lieber Kapitän?
– Nein.
– Und Sie, Doctor?
– Auch nicht!
– Aber Sie, meine Herrn?
– Keineswegs, antwortete Marcel Lornans, doch in unserm Alter ist das nicht zu verwundern.
– Schön, und wenn Sie Alle nicht verheiratet sind, warum wollen Sie denn, daß ich es wäre?
– Einfach, damit Sie eine Familie hätten, belehrte ihn Jean Taconnat.
– Und mit der Familie die davon unzertrennlichen Sorgen…
– Damit Sie Kinder… später Enkelchen hätten…
– Mit allen den Belästigungen, die sie verursachen.
– Kurz, um Nachkommen zu haben, die einst Ihr Ableben betrauern….
– Oder sich darüber freuen!
– Glauben Sie denn, fuhr Marcel Lornans fort, daß der Staat sich nicht freuen werde, wenn er Sie einmal beerbt?
– Der Staat… mein Vermögen erben… das er als Verschwender doch nur bald durchbrächte?…
– Das ist keine Antwort, Herr Dardentor, sagte Marcel Lornans; der Mensch hat einmal die Bestimmung, sich eine Familie zu
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