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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das nicht ertragen. Herr Désirandelle war einer der ersten, der die Tafel mit verrätherischer Eile verließ. So und so viele andre folgten ihm, um draußen frische Luft zu schöpfen, trotz dem Zureden des Kapitän Bugarach, der wiederholt erklärte:
    »Das hat nichts zu bedeuten, meine Herrn… dieser Seitensprung des »Argeles« wird nicht lange anhalten!«
    Und Clovis Dardentor rief dazwischen:
    »Da wackeln sie nun im reinen Gänsemarsch hinaus!
    – Ja, so ist es immer! erwiderte der Kapitän, mit den Augen zwinkernd.
    – Nein! versetzte unser Perpignaneser, ich begreife nicht, daß Einer das Herz nicht im Leibe behält!«
    Angenommen, daß dieser Ausdruck den Gesetzen des menschlichen Organismus nicht widerspricht, und wenn das Herz wirklich seine Ortslage verändern kann, wie es jene volksthümliche Redeweise andeutet, so strebte das Herz jener guten Leute doch keineswegs danach, hinab-, sondern vielmehr zu ihren Lippen emporzusteigen. Kurz, als der Restaurateur die Zwischengerichte herumreichen ließ, zählte man an der Tafel nicht mehr als etwa zehn unerschrockne Gäste. Zu ihnen gehörten außer den an solche rutschende Teller und Schüsseln der Dining-rooms gewöhnten Kapitän Bugarach und Doctor Bruno zunächst Clovis Dardentor, der treu auf Posten blieb, Agathokles, den die Flucht seines Vaters sehr gleichgiltig ließ, die beiden Vettern Marcel Lornans und Jean Taconnat, deren Verdauung in keiner Weise gestört war, und der unermüdliche Eustache Oriental, der auf die weiteren Gänge spannte, die bedienenden Burschen ausfragte und gar nicht daran dachte, sich über die unzeitgemäßen Stöße des »Argeles« zu beklagen, da er ja die Auswahl unter den dargebotenen Gerichten hatte.
    Nach dem Auszuge der schon zu Anfang der Tafel außer Rand und Band gerathnen Tischgäste aber warf der Kapitän Bugarach dem Doctor Bruno einen eigenthümlichen Blick zu, und dieser antwortete darauf mit ebenso seltsamem Lächeln. Dieses Lächeln und jener Blick schienen verständlich genug gewesen zu sein, denn wie auf einem Spiegel glänzten sie von dem sonst unbeweglichen Gesicht des Restaurateurs wieder zurück.
    Da stieß Jean Taconnat seinen Vetter mit dem Ellbogen und sagte leise:
    »Das war der gewöhnliche »Kniff«!
    – Der mir sehr gleichgiltig ist, Jean!
    – Und mir erst recht!« versicherte Jean Taconnat, der auf seinen Teller eine saftige Schnitte von zart rosafarbnem Lachs gleiten ließ, welche Herr Oriental wohl übersehen hatte.
    Der angedeutete »Kniff« aber besteht einfach in Folgendem:
    Es giebt Kapitäne – bei Leibe nicht alle, doch es scheint welche zu geben – die zu sehr durchsichtigem Zwecke die Richtung ihres Schiffes grade beim Beginn der Tafel etwas ändern lassen… oh, nur durch ein leichtes Umlegen des Steuers, etwas andern bedarf es nicht. Kann man ihnen deshalb wirklich einen Vorwurf machen? Ist es denn verboten, ein Fahrzeug grade gegen den Seegang einzustellen und obendrein nur für eine Viertelstunde? Ist es ein Verbrechen, mit dem Rollen und Stampfen unter einer Decke zu spielen, um eine Ersparniß an den Kosten der Tafel zu erreichen?
    Uebrigens dauerte die Unruhe der Teller und Schüsseln nicht über Gebühr lange an. Die Hinausgemaßregelten fühlten sich aber nicht versucht, ihre Plätze am gemeinsamen Tische wieder einzunehmen, obgleich der Dampfer wieder einen ruhigeren und, sagen wir, ehrbareren Gang angenommen hatte.
    Das bis auf einige ausgewählte Tischgäste reducierte Diner konnte also unter den günstigsten Verhältnissen fortgesetzt werden, ohne daß sich jemand um die Unglücklichen bekümmerte, die aus dem Speisesalon vertrieben waren und jetzt auf dem Verdeck ebenso verschiedne, wie beklagenswerthe Stellungen und Lagen einnahmen.
Viertes Capitel.
Worin Clovis Dardentor Dinge ausspricht, die sich Jean Taconnat zunutze zu machen gedenkt.
    »Welche Lücken an unserm Tische, lieber Kapitän, rief Clovis Dardentor, während der Restaurateur das Herumgehen der Schüsseln überwachte, ohne dabei seine gewohnte Würde abzulegen.
    – Vielleicht ist zu erwarten, daß die Lücken sich noch vermehren, wenn wir noch gröbere See bekommen, bemerkte Marcel Lornans.
    – Gröbere?… Ein Meer aus Oel! entgegnete der Kapitän Bugarach. Der »Argeles« war nur in eine Gegenströmung gerathen, wo etwas stärkere Wellen standen. Das kommt zuweilen vor. –
    – Meist zur Zeit des Frühstücks und des Mittagessens, bemerkte Jean Taconnat mit dem ernsthaftesten Gesicht von der

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