Clovis Dardentor
Dardentor beharrlich. Von Korsika . . . ja! . . . Von den
Balearen? . . . Nimmermehr!
Wenn Palma der Schauplatz zahlreicher Kämpfe war, zu-
erst als es sich gegen die Scharen Don Jaymes verteidigte,
dann in der Zeit, wo sich die bäuerlichen Besitzer gegen
den sie durch Steuern aussaugenden Adel auflehnten, und
endlich, als es sich der Korsaren aus den Barbareskenstaa-
ten erwehren mußte, so sind diese Tage jetzt längst vorü-
ber. Die Stadt erfreute sich gegenwärtig einer Ruhe, die Jean
Taconnat jeder Hoffnung beraubte, seinem Vater in spe bei
einem etwaigen Überfall zu Hilfe zu eilen.
Bei dem Anfang des 15. Jahrhunderts verweilend, er-
zählte der Führer noch, daß der Bergbach Riena, durch ei-
nen außergewöhnlichen Wasserzufluß angeschwellt, den
Tod von 1633 Personen herbeigeführt habe. Das veranlaßte
Jean Taconnat zu der Frage:
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»Wo fließt denn dieser Bergbach?«
»Mitten durch die Stadt.«
»Werden wir darüber hinweggehen?«
»Ja gewiß.«
»Und führt er viel Wasser?«
»Nicht genug, um eine Maus darin zu ersäufen.«
»Na, der ist ja wie für mich geschaffen!« raunte der arme
junge Mann seinem Vetter ins Ohr.
Harmlos plaudernd besichtigten die drei Touristen die
untere Stadt, indem sie den Kais, oder vielmehr den Terras-
sen nachgingen, die sich auf der bastionierten Umfassungs-
mauer längs des Meeres hinziehen.
Einige Häuser hier zeigten die malerischen Formen der
maurischen Architektur, was sich daraus erklärte, daß Mau-
ren 400 Jahre lang auf der Insel wohnten. Durch die halbof-
fenen Türen erblickte man die inneren Höfe, die Spatios mit
den leichten Kolonnaden, den traditionellen Ziehbrunnen
mit seiner eleganten Eisenarmatur, die Treppe mit graziöser
Windung, den mit blühenden Schlingpflanzen geschmück-
ten Säulengang und die Fenster mit ihren steinernen Kreu-
zen von unnachahmlicher Zartheit.
Endlich kamen Clovis Dardentor und seine Begleiter vor
einem, von vier achteckigen Türmen flankierten Gebäude
an, das zwischen dem Stil der Frührenaissance auch Spuren
gotischer Baukunst aufwies.
»Was stellt denn dieser alte Steinklumpen vor?« fragte
Herr Dardentor.
Wenn er nicht Patrice hätte ein wenig ärgern wollen,
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konnte er wohl einen etwas gewählteren Ausdruck gebrau-
chen.
Die »Fonda« war es, die alte Börse, ein prächtiges Bau-
werk mit sauber verzierten Fenstern und künstlerisch aus-
gearbeitetem Karnies, dessen Auszahnung dem Werkmeis-
ter jener Zeit alle Ehre machte.
»Wir wollen hier hineingehen«, schlug Marcel Lornans
vor, der sich für alle archäologischen Kuriositäten interes-
sierte.
Sie durchschritten darauf eine Bogenwölbung, die ein
mächtiger Mittelpfeiler teilte. Im Innern befand sich ein
wohl tausend Personen fassender Saal, dessen Decke von
gewundenen, schwachen Säulen getragen wurde. Hier fehlte
nur das Getöse des Verkehrs, der Lärm der Kaufleute, wo-
von er in glücklicheren Zeiten widerhallen mochte.
Unser Perpignaneser ließ diese Bemerkung fallen. Die
Fonda selbst hätte er gern nach seiner Heimatstadt versetzt
gesehen, wo er schon allein dafür gesorgt hätte, ihr das eins-
tige Leben wieder zuzuführen.
Selbstverständlich bewunderte Patrice all die schönen
Dinge mit dem Phlegma des reisenden Engländers, der auf
den Führer den Eindruck eines gesetzten und zugeknöpften
Gentleman machte.
Was Jean Taconnat betrifft, müssen wir zugestehen, daß
ihm die abgeleierten Standreden des Cicerone nur ein sehr
mittelmäßiges Interesse einflößten. Er war für die Schön-
heiten der edlen Kunst der Architektur zwar nicht unemp-
fänglich, von einer fixen Idee erfüllt folgten seine Gedanken
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jedoch einer ganz anderen Richtung und er bedauerte nur,
daß in dieser Fonda nichts zu machen sei.
Nach einem gezwungenermaßen kurzen Besuch wandte
sich der Führer nach der Riena-Straße. Hier herrschte re-
ges Leben. Die Männer, ausgezeichnet durch schönen Ty-
pus und elegante Haltung, trugen weite Beinkleider, einen
Gürtel um die Taille und eine Weste aus Ziegenfell mit der
Haarseite nach außen. Die sehr hübschen Frauen mit war-
mem Teint, tiefen schwarzen Augen und ausdrucksvollen
Gesichtszügen erschienen in hellfarbigen Röcken mit kur-
zer Schürze und ausgeschnittenen Leibchen und mit ent-
blößten Armen, während einzelne junge schlanke Mädchen
auf dem Kopf den »Rebosillo« trugen, der trotz seines non-
nenhaften Zuschnitts
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