Clovis Dardentor
an der Mauer
gegen seine aus Stricken geflochtenen Schutzballons, wäh-
rend der Maschinist die Kolben langsam in Gang setzte und
die Schraube sich etwas einlaufen ließ.
In diesem Augenblick erschien Frau Désirandelle auf
dem Oberdeck. Trockner als sonst und blasser als gewöhn-
lich, wäre sie wohl in ihrer Kabine geblieben und hätte diese
während der ganzen Fahrt nicht verlassen, wenn nicht auch
sie eine wirkliche Unruhe hinaufgetrieben hätte. Im Vorge-
fühl, daß Herr Dardentor doch nicht an Bord war, wollte sie
trotz ihrer Schwäche Kapitän Bugarach ersucht sehen, auf
den noch ausgebliebenen Passagier zu warten.
»Nun . . .?« redete sie ihren Gatten an.
»Er ist nicht eingetroffen!« lautete die Antwort.
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»Ohne Dardentor können wir aber unmöglich abreisen
. . .«»Ja, wenn er jedoch ...«
»So sprich doch mit dem Kapitän, Herr Désirandelle!
Du siehst ja, daß mir die Kraft fehlt, zu ihm hinaufzuklet-
tern!«
Kapitän Bugarach, der ein Auge auf alles hat und der
jetzt einen Befehl nach dem Vorderdeck und dann einen
nach Hinterdeck erteilte, schien nicht von leicht zugängli-
cher Natur zu sein. An seiner Seite auf der Kommandobrü-
cke und die Hände auf dem Rad stand der Steuermann und
wartete nur auf den Befehl, die Ketten des Steuerruders in
Bewegung zu setzen. Jetzt war’s der unpassendste Augen-
blick, ein Anliegen an ihn vorzubringen; auf Betreiben der
ungeduldigen Frau Désirandelle kletterte der gehorsame
Gatte aber doch die eiserne Leiter hinauf und hielt sich
dann an den mit weißer Leinwand überzogenen Leitstan-
gen fest.
»Herr Kapitän?« begann er.
»Was wünschen Sie?« antwortete ziemlich barsch »der
Herr nächst Gott« mit einer Stimme, die durch seine Zähne
rollte wie der Donner durch eine Wetterwolke.
»Sie wollen abfahren?«
»Genau um 3 Uhr – und daran fehlt nur noch 1 Minute . . .«
»Doch einer unserer Reisegenossen hat sich verspätet . . .«
»Desto schlimmer für ihn.«
»Könnten Sie denn nicht etwas warten?«
»Nicht eine Sekunde!«
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»Es handelt sich aber um Herrn Dardentor!«
Herr Désirandelle nahm mit Sicherheit an, daß die Nen-
nung dieses Namens genügen würde, den Kapitän zu veran-
lassen, daß er die Mütze ziehend sich verneigte.
»Wer ist das? . . . Dardentor? . . . Kenne ich nicht!«
»Herr Clovis Dardentor . . . aus Perpignan . . .«
»Schön! Wenn Herr Clovis Dardentor aus Perpignan
nicht binnen 40 Sekunden an Bord ist, wird die ›Argèlès‹
ohne Herrn Dardentor abfahren . . . Die Taue vorn losma-
chen!«
Herr Désirandelle kam mehr purzelnd als gehend die
Leiter hinunter und auf dem Deck an.
»Es soll also fortgehen?« rief Frau Désirandelle, der der
Zorn die schon erbleichenden Wangen für eine Sekunde
mit Purpur übergoß.
»Der Kapitän ist der reine Unhold! . . . Er hört auf keine
Bitte und will abfahren!«
»Dann steigen wir augenblicklich wieder aus!«
»Frau Désirandelle, das geht nicht! . . . Unser größeres
Gepäck ist mit in den Frachtraum hinuntergeschafft . . .«
»Wir steigen aus, sag’ ich dir!«
»Unsere Plätze sind schon bezahlt . . .«
Bei dem Gedanken an den dreifachen Verlust des Fahr-
preises von Cette nach Oran wurde Frau Désirandelle wie-
der leichenblaß.
»Die gute Frau streicht die Flagge!« sagte Jean Ta-
connat.
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»Sie wird sich also ergeben!« fügte Marcel Lornans
hinzu.
Und sie ergab sich wirklich, doch nicht ohne einen
Schwall nutzloser Vorwürfe loszulassen.
»Ach, dieser Dardentor . . . er ist doch unverbesserlich!
. . . Niemals da, wo er sein sollte! . . . Statt geradewegs nach
dem Schiff zu gehen, nein, da muß er hoch einmal zu jenem
Pigorin laufen! . . . Und was werden wir . . . da draußen . . . in
Oran . . . ohne ihn anfangen?«
»Oh, wir erwarten ihn einfach bei Madame Elissane«,
antwortete Herr Désirandelle tröstend, »er wird uns mit
dem nächsten Dampfer nachkommen, und sollt’ er auch ei-
nen von Marseille aus benützen.«
»Nein, dieser Dardentor! . . . dieser Dardentor!« wieder-
holte die Dame, deren Blässe bei den ersten leisen Bewe-
gungen der ›Argèlès‹ noch zunahm. »Ach, wenn es nicht
um unseres Sohnes willen wäre . . . wenn sich’s nicht um sein
Glück und die Zukunft meines Agathokles handelte!«
Ob seine Zukunft und sein Glück dem unbedeutenden
Burschen, dieser negativen Größe, wirklich so besonders
am Herzen lagen, das hätte man, wenn man
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