Clovis Dardentor
bekommen, denn der
Wasserstand darin war zu dieser Zeit schon sehr niedrig,
und in der warmen Jahreszeit trocknete der genannte See
gewöhnlich gänzlich aus.
Bisher war die Richtung der Linie eine südöstliche gewe-
sen; dann wandte diese sich jedoch dem Flecken Tlélat zu,
wo der Zug bald einlief.
Clovis Dardentor hatte sich mit einer zusammenfaltba-
ren, auf Leinwand gezogenen Landkarte versehen, die die
Reiseroute zeigte. Das darf ja bei einem so praktischen und
umsichtigen Mann nicht wundernehmen.
»Hier ist es«, sagte er zu seinen Reisegenossen, »wo die
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Linie nach Sidi-bel-Abbès sich abzweigt, die uns bei der
Rückkehr von unserem Ausflug nach Oran heimführen
wird.«
»Setzt sich diese Linie denn nicht bis Tlemcen fort?«
fragte Herr Désirandelle.
»Später ja«, antwortete Herr Dardentor, »nachdem sie
bei Boukhanefes eine Gabelung gebildet hat. Jetzt ist sie
noch nicht ausgebaut.«
»Das ist vielleicht schade«, bemerkte Frau Elissane.
»Könnten wir sie jetzt schon . . .«
»Gütiger Himmel, verehrteste Frau«, fiel ihr Clovis Dar-
dentor ins Wort, »da kämen wir ja ganz um unsere Karawa-
nenfahrt! Vom Innern eines Waggons sieht man doch nichts
oder nur sehr wenig und wird höchstens von der Hitze ge-
schmolzen. Ich sehne mich sehr nach der Ankunft in Saïda!
. . . Was ist denn Ihre Ansicht, Fräulein Louise?«
Das junge Mädchen mußte sich ja wohl der Ansicht des
Herrn Dardentor anschließen.
Von Tlélat aus verläuft die Bahn geradeaus nach Os-
ten und überschreitet dabei die kleinen gewundenen und
murmelnden Wasseradern der Oueds, der Zuflüsse des Sig.
Dann rollt der Zug auf Saint-Denis zu, nachdem er den
Fluß gekreuzt hat, der sich unter dem Namen Macta in eine
große Bucht zwischen Arzeu und Mostaganem ergießt.
Wenige Minuten nach 11 Uhr kamen die Reisenden in
Saint-Denis an. Hier stiegen die meisten von denen aus, die
als Ausflügler im Zug gewesen waren.
Das besondere Programm des Herrn Dardentor be-
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stimmte für diesen Ort einen Aufenthalt von einem Tag
und einer Nacht, und am folgenden Tag sollte dann gegen
10 Uhr aufgebrochen werden. So wie seine Gefährten ihm
die Ordnung der Einzelheiten der Reise überließen, war er
entschlossen, von Punkt zu Punkt dem Motto » Transire vi-
dendo « zu folgen.
Unser Perpignaneser war der erste aus dem Waggon,
überzeugt, daß Agathokles gleich nach ihm aussteigen und
sich beeilen würde, Louise die Hand zu reichen, um ihr
beim Herabsteigen nach dem Perron behilflich zu sein. Der
schlafmützige Bursche wurde aber von dem jungen Mäd-
chen überholt, die mit Hilfe des Herrn Dardentor leichten
Fußes heraushüpfte.
»Ah«, rief sie mit einem gelinden Aufschrei, während sie
sich umdrehte.
»Haben Sie sich weh getan, Fräulein?« fragte Clovis Dar-
dentor.
»O nein . . . nein . . . ich danke Ihnen, Herr Dardentor . . .
ich glaubte aber . . . daß . . .«
»Sie glaubten . . . was?«
»Daß die Herren Lornans und Taconnat nicht an der
Reise teilnähmen . . .«
»Sie?« rief Clovis Dardentor mit laut schallender
Stimme.
Mit einem mächtigen Sprung befand er sich bei seinen
Freunden und öffnete zum Willkomm die Arme, während
die beiden jungen Leute Frau Elissane und ihre Tochter be-
grüßten.
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»Sie . . . Sie?« wiederholte er.
»Ja, wir in eigener Person!« bestätigte Jean Taconnat.
»Und der Dienstantritt bei den 7. Jägern?«
»Wir meinten, der könne ebensogut in 14 Tagen erfol-
gen, und um die Zeit zu nutzen . . .«
»Schien es uns, daß eine solche Rundreise . . .«, fuhr Jean
Taconnat fort.
»Ah, ein vortrefflicher Gedanke«, rief Herr Dardentor,
»der uns allen die größte Freude bereitet!«
Allen? . . . Das war doch vielleicht etwas zuviel gesagt.
Wie würden, von Louise abgesehen, Frau Elissane und die
Désirandelles diese Überraschung betrachten? . . . Entschie-
den mit Mißfallen. Die Begrüßung der beiden Pariser fiel
denn auch seitens der Frauen sehr trocken und seitens der
Männer sehr steif aus. Clovis Dardentor war gewiß des gu-
ten Glaubens gewesen, daß weder Marcel Lornans noch
Jean Taconnat sie begleiten würden, als er das Frau Elissane
versicherte. Nichtsdestoweniger zeigte er sich jetzt hochbe-
friedigt.
»Das ist ja ein wahres Glück!« jubelte er.
»Der Zug war schon fast im Abgehen, als wir zum Bahn-
hof kamen«, erklärte Jean Taconnat. »Ich hatte so viele
Mühe gehabt, ihn zu
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