Clovis Dardentor
überreden . . . nun ja, wenigstens wenn
er es nicht gewesen ist, der nicht weniger Mühe hatte, mich
zu bestimmen . . . Mit einem Wort, wir zauderten bis zur
letzten Minute . . .«
Kurz, Clovis Dardentor und seine »Smala« befanden sich
nun in Saint-Denis du Sig, dem ersten Halteplatz auf der
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Reise, und die beiden jungen Leute wurden der Karawane
angegliedert. Jetzt handelte es sich um Auskundschaftung
eines Hotels, wo man frühstücken, zu Mittag essen und gut
schlafen konnte. Von einer Trennung war keine Rede. Es
sollte keine zwei Gruppen geben, die Gruppe Dardentor ei-
ner- und die Gruppe Lornans-Taconnat andererseits. Nein!
Bestimmt nicht! Dieser Beschluß schuf ohne Zweifel Zu-
friedene und Unzufriedene, niemand ließ das aber äußer-
lich durchblicken.
»Offenbar«, murmelte Jean Taconnat, »schlägt im Busen
dieses Pyrenäers für uns das Herz eines Vaters!«
Wären die Touristen in Saint-Denis du Sig 4 Tage frü-
her – am Sonntag statt am Mittwoch – eingetroffen, dann
hätten sie hier Araber gleich zu Tausenden sehen können.
Am Sonntag war nämlich Jahrmarkt gewesen, und die Ho-
telfrage wäre dann nicht so mühelos gelöst worden. Ge-
wöhnlich beträgt die Bevölkerung dieses Fleckens etwa
6000 Köpfe, darunter ein Fünftel Juden und etwa 4000 Aus-
länder.
Im Hotel ging es beim Frühstück lustig zu . . . eher etwas
zu lustig, wofür Herrn Dardentors gute Stimmung sorgte. In
der Absicht, mit ihren Reisegefährten, denen sie sich doch
gewissermaßen aufgedrängt hatten, nun nach und nach auf
vertrauteren Fuß zu kommen, legten sich die beiden Pariser
äußerlich eine diskrete Zurückhaltung auf.
»He, meine jungen Freunde«, rief Clovis Dardentor, »ich
kenne Sie ja gar nicht wieder! . . . Ihre erste Unentschlossen-
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heit hat Sie noch während der Fahrt ganz verändert. Sie . . .
die lustigen Patrone . . .«
»Für unser Alter schickt sich das nicht mehr, Herr Dar-
dentor«, erklärte Jean Taconnat. »Wir sind nicht so jung wie
Sie . . .«
»Oh, die losen Vögel! . . . Doch halt . . . ich habe ja Herrn
Oriental nicht hier auf dem Bahnhof bemerkt.«
»War denn diese planetarische Persönlichkeit auch mit
im Zug?« fragte Marcel Lornans.
»Ja, doch er ist wohl nach Saïda weitergefahren.«
»Alle Wetter!« rief Jean Taconnat. »Das erspart uns eine
Wolke von Heuschrecken, die das Männchen im Vorüber-
fliegen aufzehrt!«
Nach Beendigung des Frühstücks, und da man erst am
nächsten Vormittag um 9 Uhr aufbrechen wollte, wurde be-
schlossen, den ganzen Tag der Besichtigung von Saint-De-
nis du Sig zu widmen. Freilich ähneln diese algerischen Fle-
cken »furchtbar« den Kantonshauptorten des Mutterlands,
und ihnen fehlt nichts, weder der Polizeikommissar, der
Friedensrichter, der Steuereinnehmer, noch die Brücken-
und Chausseewärter oder . . . die Gendarmen.
Saint-Denis du Sig hat mehrere recht hübsche Straßen,
regelmäßig angelegte Plätze, üppig gedeihende Anpflan-
zungen – vor allem von Platanen – und eine schöne Kirche
im gotischen Stil des 12. Jahrhunderts. Mehr Reiz für Tou-
risten haben aber die freundlichen Umgebungen des Städt-
chens.
Die Gesellschaft wanderte also hinaus. Herr Dardentor
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empfahl der Bewunderung der Damen, die sich dafür wohl
kaum allzusehr interessierten, und den beiden Vettern, die
jetzt, wahrscheinlich von Nebelwolken der Zukunft um-
hüllt, nichts klar sahen, Landstücke von ganz überraschen-
der Fruchtbarkeit und prächtige Weinanpflanzungen, die
den vereinzelt aufragenden Bergstock bedecken, an den
sich, wie an eine Art leicht zu verteidigenden Festung, das
Städtchen anschmiegt. Unser Perpignaneser gehörte zu
dem Schlag von Leuten, die alles bewundern, weil sie nicht
bei sich zu Hause sind, und denen man die Abfassung eines
Reisehandbuchs nicht anvertrauen dürfte.
Dieser Nachmittagsspaziergang wurde vom erwünsch-
testen Wetter begünstigt. Jenseits der Stadt wanderte man
am Sigfluß aufwärts bis zu dem Damm hin, der das Was-
ser auf eine Strecke von 4 Kilometern anstaut, wodurch
eine Ansammlung von 14 Millionen Kubikmetern gesichert
wird, die zur Bewässerung der industriellen Kulturen Ver-
wendung findet. Dieser Damm ist schon mehrmals gebro-
chen und das wird sich später auch wiederholen. Die Inge-
nieure wachen aber darüber, und von dem Augenblick an,
wo die Vertreter der grundgelehrten Körperschaft wachen,
ist nichts mehr zu
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