Clovis Dardentor
ernsthafte Gelegenheit bietet
Die von der Gesellschaft der algerischen Eisenbahnen ange-
kündigte Rundreise fand bei den oranischen Touristen un-
geteilten Beifall. Die Leute freuten sich unbändig auf diese
Fahrt von 650 Kilometern durch die Provinz, das heißt 300
im Waggon und 350 im Wagen oder mit anderen Beförde-
rungsmitteln zwischen Saïda, Daya, Sebdou, Tlemcen und
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Sidi-bel-Abbès. Das Ganze war ein Spaziergang, ein einfa-
cher Spaziergang, den Liebhaber vom Mai bis zum Oktober,
das heißt in der Jahreszeit, die nicht durch schwere Stürme
unterbrochen wird, ganz nach Belieben ausführen könn-
ten.Es handelte sich hier übrigens, was wir ausdrücklich be-
merken möchten, nicht um eine jener billigen Gesellschafts-
reisen eines Stangen, Riesel und anderer, bei denen man
eine bestimmte Route gebunden und gezwungen ist, am
selben Tag und zur selben Stunde dieselben Städte und sel-
ben Merkwürdigkeiten zu besuchen, ein Programm, das die
Beteiligten oft belästigt und von dem sie doch nicht abwei-
chen können. Nein, in dieser Hinsicht war Patrice im Irr-
tum. Von Zwang, von Einmischen war hier keine Rede. Die
Billetts waren die ganze Saison über käuflich. Jeder reiste
ab, wann es ihm paßte, und hielt sich unterwegs auf, wo es
ihm gefiel. Da nun jedermann freigestellt war, die Reise an-
zutreten, wann er wollte, zeigte sich der erste, am 10. Mai
abgehende Sonderzug nur von etwa 30 Ausflüglern besetzt.
Die Reiselinie war recht zweckentsprechend gewählt.
Von den drei Unterpräfekturen, die Oran zählt, nämlich
Mostaganem, Tlemcen und Mascara, verlief sie durch die
zwei letzten, und von den fünf Militärbezirken – Mostaga-
nem, Saïda, Oran, Mascara und Sidi-bel-Abbès – berührte
sie drei. Innerhalb dieses Gebiets, mit dem Departement
Algier im Osten, Marokko im Westen, die Sahara im Sü-
den und das Mittelmeer im Norden, bietet die Provinz sehr
wechselreiche Bilder, hier Berge von mehr als 1000 Meter
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Höhe, dort Waldbestände in der Gesamtausdehnung von
400.000 Hektar, ferner Binnenseen und Wasserläufe, wie
die Macta, die Habra, den Chelif, den Mekena, den Sig und
andere. Wenn die Karawane auch nicht überall hinkam, so
sollte sie doch durch die schönsten Gebietsteile ziehen.
An diesem Tag verfehlte Clovis Dardentor den Zug nicht
so, wie früher den abgehenden Dampfer. Er fand sich sogar
schon sehr zeitig auf dem Bahnhof ein.
Als Veranstalter der Reise erfüllte er nur seine Pflicht,
den anderen vorauszueilen, die ja völlig übereinstimmten,
ihn als Führer der Expedition gelten zu lassen.
Kühl und schweigsam hielt sich Patrice in der Nähe sei-
nes Herrn und wartete darauf, das gesamte, übrigens nicht
sehr umfangreiche Gepäck – einige Reisetaschen und -sä-
cke, ein paar Decken, nur das Nötigste – zur Beförderung
aufzugeben.
Schon war es halb 9, um 9 Uhr 5 sollte der Zug abge-
hen.»Nun«, rief Clovis Dardentor, »was machen sie denn
alle? . . . Sollte unsere ›Smala‹ ihre Nase nicht bald sehen
lassen?«
Patrice ließ dieses Wort der Eingeborenen so hingehen,
da man sich in arabischem Land befand, und antwortete,
daß er eine auf den Bahnhof zukommende Gesellschaft
sehe.
Es war die Familie Désirandelle mit Frau und Fräulein
Elissane.
Herr Dardentor begrüßte sie herzlichst. Er fühlte sich
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so glücklich, daß seine alten Freunde aus Frankreich und
seine neuen Freunde aus Afrika seinen Vorschlag ange-
nommen hatten. Seiner Versicherung nach würden sie von
der Reise unverlöschliche Erinnerungen heimbringen. Frau
Elissane schien ihm heute ganz besonders gut auszusehen
. . . Fräulein Louise in der Touristentracht ganz bezaubernd.
Um Plätze brauche sich niemand kümmern . . . das sei seine
Sorge . . . Er werde für die ganze Gesellschaft die Billetts be-
sorgen . . . das sollte später ausgeglichen werden. Was das
Gepäck betreffe, so werde sich Patrice dessen annehmen,
auf ihn könne man sich nach allen Seiten verlassen. Er
selbst, Dardentor, schäumte heute von guter Laune und fro-
her Hoffnung geradezu über.
Die beiden Familien traten in den Wartesaal, nachdem
sie Patrice die wenigen Gepäckstücke übergeben hatten, die
sie in den Waggon nicht mitnehmen wollten. Auch wäh-
rend des Aufenthalts in Saint-Denis du Sig und Mascara
sollten jene bis zur Ankunft in Saïda in Verwahrung der
Bahn bleiben.
Nach dem Ersuchen an Frau Désirandelle und Agatho-
kles, mit
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