Clovis Dardentor
such-
ten Frau Elissane, ihre Tochter und die Désirandelles nach
14tägiger Abwesenheit das Haus in der Alten Schloßstraße
wieder auf.
Bei Dardentor durfte aber eine Sache nicht »verschleppt«
werden – wir erlauben uns dieses Wort ohne Scheu, Patrice
damit vor den Kopf zu stoßen. Er betrieb eifrigst die Angele-
genheit dieser Adoption, die übrigens ziemlich kompliziert
ist. Wenn er noch nicht 50 Jahre alt war, für Louise während
ihrer Minorität nicht gesorgt hatte, so stand doch fest, daß
ihn Louise Elissane, entsprechend dem Artikel 345 des Zi-
vilgesetzbuchs, aus einem Kampf gerettet hatte. Die für den
Adoptanten und den zu Adoptierenden vorgeschriebenen
Bedingungen waren damit also erfüllt.
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Da unser Perpignaneser in dieser Zeit gar häufig nach
der Alten Schloßstraße gerufen wurde, fand er es prakti-
scher, gleich ganz in Frau Elissanes Haus zu übersiedeln.
Inzwischen konnte man aber beobachten, daß der sonst
so redselige und mitteilsame Herr Dardentor immer ein-
silbiger, fast schweigsam geworden war. Die Désirandelles
beunruhigte das, wenn sie die Hilfswilligkeit ihres Freunds
auch nicht in Zweifel zogen. Auf Drängen seines Vaters
und seiner Mutter bewarb sich Agathokles nun etwas dring-
licher um eine Erbin, die einst mehr 100.000 Francs besit-
zen sollte, als sie jetzt Jahre zählte.
Die Folge dieses Sachverhalts war übrigens, daß sich
Marcel Lornans und Jean Taconnat von ihrem Retter jetzt
recht vernachlässigt sahen. Seit dieser das Hotel verlassen
hatte, sahen sie ihn nur selten und höchstens bei zufälli-
gen Begegnungen auf der Straße, wo er, immer geschäftig,
ein dickes Aktenbündel unter dem Arm trug. Ohne Zweifel
befand sich der »Perichonismus« Clovis Dardentors gegen
die beiden Pariser jetzt in der Abnahme, der Ostpyrenäer
schien sich gar nicht zu erinnern, daß er sie, erst jeden ein-
zelnen, aus den rauschenden Fluten und den züngelnden
Flammen, und einmal beide zugleich bei dem Kampf mit
den Raubtieren gerettet hatte.
»Mein lieber Marcel«, äußerte deshalb eines schönen
Morgens Jean Taconnat, »wir müssen nun zu einem Ent-
schluß kommen. Da wir hierhergereist sind, um Soldaten
zu werden, mag es dabei bleiben! Wann, denkst du, wollen
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wir zu dem Unterintendanten und dann in das Rekrutie-
rungsbüro gehen?«
»Morgen«, antwortete Marcel Lornans.
Als Jean Taconnat am anderen Tag aber dieselbe Frage
wiederholte, erhielt er genau dieselbe Antwort.
Marcel Lornans betrübte es am meisten, daß er jetzt gar
keine Gelegenheit hatte, Louise Elissane einmal zu sehen.
Das junge Mädchen ging fast gar nicht aus. Die kleinen
Abendgesellschaften in der Alten Schloßstraße hatten auf-
gehört. Man sprach unter der Hand schon von der bevor-
stehenden Vermählung des Herrn Agathokles Désirandelle
mit Fräulein Louise Elissane. Marcel Lornans war in Ver-
zweiflung.
Eines Morgens kam da Clovis Dardentor ins Hotel, um
die beiden jungen Leute zu besuchen.
»Na, liebe Freunde«, platzte er ohne lange Vorrede her-
aus, »wie steht’s denn mit dem Engagement?«
»Morgen«, antwortete Marcel Lornans.
»Ja, morgen«, erklärte auch Jean Taconnat, »unbedingt
morgen, lieber Herr Dardentor!«
»Morgen?« wiederholte dieser, »nein, nein, zum Teufel,
nein, sag’ ich. Ihr habt noch Zeit genug, unter die 7. Jäger
zu kommen. Wartet nur ein wenig . . . die Sache eilt nicht so
sehr. Ich wünsche eure Anwesenheit bei einer von mir ge-
planten Festlichkeit . . .«
»Zur Vermählung von Herrn Désirandelle und Fräulein
Elissane?« fragte Marcel Lornans, dessen Züge sich sichtbar
veränderten.
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»O nein, doch zum Fest der Adoption . . . vor der Heirat.
Ich rechne auf euch beide. Auf Wiedersehen!«
Mit diesen Worten verließ er sie, solche Eile hatte der
Mann.
Unser Perpignaneser hatte sich im Kanton Oran, dessen
Friedensrichter den Adoptionsakt vollziehen sollte, eine ei-
gene Wohnung nehmen müssen. Dann waren vor genann-
tem Richter die Parteien erschienen: Frau und Fräulein
Elissane, auf der einen, Herr Clovis Dardentor auf der an-
deren Seite, alle mit ihren Geburtszeugnissen und den Be-
legen für die Erfüllung der vorgeschriebenen Bedingungen
für den Adoptanten und die zu Adoptierende.
Nach Erklärung der beiderseitigen Zustimmung setzte
der Friedensrichter den Vertrag auf. Der Aktuar des letz-
teren faßte dann das Ganze in ein Protokoll zusammen –
dazu brauchte
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