Club der gebrochenen Herzen
Anweisungen vom Regisseur zu bekommen; solange er sich an die Markierungen hielt, arbeiteten die beiden einvernehmlich als Team. Er blieb der Herr Wirt, wenn die Gäste ankamen, durfte servieren und für gute Stimmung sorgen. Er mochte ein Haus voller Menschen, es erinnerte ihn an frühere Zeiten, als er noch ein verheirateter Mann gewesen war.
Jetzt konnte er es sich eingestehen; die Junggesellenzeit in Blomfield Mansions war verdammt einsam gewesen. Wenn er abends abschloss, konnte er fast spüren, wie seine Pensionsgäste im oberen Stock schlummerten, warmblütige Säugetiere, geborgen und die Nacht über in Sicherheit. Und obwohl es gelegentlich Beschwerden gab, zum Beispiel über das unberechenbare Warmwasser im Bad, wurden sie bislang stets in einer milden, zaghaften Form geäußert, als wären die Gäste selbst schuld. Wie schlicht solche Beschwerden waren im Vergleich zu denpassiv-aggressiven Schuldexzessen, die seine Ehefrauen bei ihm hervorriefen, oder die scharfen Anklagen seiner Kinder!
»Ich habe gerade zu Iris gesagt, waren Sie nicht damals in dem Dingsda?«
»In was?«, fragte Buffy und goss den Kaffee ein.
»In dem Stück, das im Altersheim spielt.«
»Nein, Dummchen«, sagte Iris. »Das war Michael Gambon.«
Es stellte sich heraus, dass sie eifrige Theatergängerinnen waren. Sie verbrachten eine angenehme Stunde damit, Buffys Erinnerungen zu lauschen. Er erzählte, wie sein alter Kumpel Eldon James, stark beduselt, eine Vorstellung besucht hatte und ihm, als der Vorhang hochging, plötzlich siedend heiß einfiel, dass er eigentlich auf der Bühne stehen sollte. Und wie er selbst bei seinem letzten öffentlichen Auftritt einen bettlägerigen Patriarchen gespielt hatte und während einer Aufführung eingeschlafen war.
»Nicht, dass es etwas ausgemacht hätte«, sagte er. »Es war sowieso eine Sterbebettszene. Das ist das Problem mit dem Älterwerden, man kriegt immer die Rollen, in denen man den Löffel abgibt. Johnny Gielgud muss an die fünfzigmal gestorben sein, bevor er endlich die irdische Verstrickung lösen konnte. Wenigstens hatte er da Übung.«
Der Regen trommelte immer noch auf das Verandadach. In der Ferne schlug die Kirchenglocke zwölf Uhr.
»Zeit für ein Schlückchen.« Buffy stand auf. »Ein Glas Pinot Grigio gefällig?«
»O nein, das geht nicht …«
»Nur zu, leisten Sie mir Gesellschaft.«
Die beiden Frauen sahen sich an. »Wir trinken normalerweise nicht am helllichten Tag.«
»Das sagen alle«, sagte Buffy. Auch oft gehört war: Normalerweise frühstücken wir gar nicht richtig . Das sagen immer diejenigen, die alles verputzten – Würstchen, die Blutwurst, das volle Programm.
»Aber haben Sie nichts anderes zu tun?«, fragte Frieda.
»Nein«, sagte Buffy.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Iris. »Na gut, wir sind ja im Urlaub.«
Das sagten sie auch alle. Buffy kam mit einer Flasche und drei Gläsern zurück. Diejenigen, die am stärksten protestierten, hatte er herausgefunden, kippten sich am schnellsten einen hinter die Binde. Sie setzten sich zum Plaudern. Wie sich herausstellte, hatte Iris einen Bruder, der gerade eine Midlife-Krise durchmachte.
»Ohrring, Pferdeschwanz, das ganze Theater«, sagte sie. »Und jetzt macht er auch noch bei der Band seines Sohnes mit, er spielt Gitarre, trägt diese enge Weste, und sein Bäuchlein … Aber die Jungen sind so nachsichtig.«
»Nicht nach meiner Erfahrung«, sagte Buffy. Andererseits konnte er ihnen kaum Vorwürfe machen. Tatsächlich hatte sich mit der Zeit das Verhältnis zwischen ihm und seinen Sprösslingen verbessert, seit sie sich selbst dabei ertappten, dieselben Fehler zu machen wie er früher. Frieda und Iris waren gute Zuhörerinnen; Lesben waren das oft. Er sprach mit einem Mal über seine Tochter Celeste, die, dreiundzwanzigjährig, plötzlich wie vom Himmel gefallen in seinem Leben aufgetaucht war.
»Sie können das nicht meinen ›vom Himmel gefallen‹«, sagte Iris. »Wer war ihre Mutter? Mit wem waren Sie all die Jahre zusammen?«
»Ich war locker mit Lorna zusammen«, sagte Buffy.
»So locker wohl auch wieder nicht«, sagte Iris, vom Wein ermutigt.
»Es war eine On-Off-Beziehung, sie hat mir nie gesagt, dass sie schwanger war, und dann bekam sie eine Rolle in einer Aufführung, und ich habe sie nie wiedergesehen.«
Die beiden Frauen lauschten mit großen Augen, als er ihnen die Geschichte erzählte, wie Celeste ihn aufgespürt und einen Job in der Apotheke, zu der er
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