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Club der gebrochenen Herzen

Club der gebrochenen Herzen

Titel: Club der gebrochenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Moggach
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Amy stand da, wie betäubt. Der Typ war verrückt. Doch die ganze Szene hatte etwas furchtbar Unausweichliches; sie erkannte in dem Augenblick, dass es vorbei war.
    Am nächsten Tag zog Neville aus und ging zu seiner Schwester. Er nahm alles mit. Was blieb, waren eine halbleere Flasche Mundwasser und eine DVD von Brokeback Mountain , einem Werbegeschenk von Mail on Sunday , einer Zeitung, die er missbilligte.
    Am Abend ging der Boiler kaputt. Amy saß zusammengekauert in der Küche und aß eine Tiefkühlpizza. Sie hatte die Brenner des Gasherds angezündet, aber es war immer noch eiskalt. Sie schob ihren Stuhl näher an den Herd, der in der Vergangenheit nie sauber gewesen war und nie wieder so sauber wie jetzt sein würde. Elend stieg ihr in die Kehle wie Übelkeit. Sie dachte, ein Küchenkraut hat uns zusammengebracht, und ein Küchenkraut hat uns auseinandergetrieben.
 
    Zwei Monate vergingen. Amy stand am Gepäckband in Heathrow und wartete auf ihren Koffer. Sie hatte in Johannesburg für einen Werbespot von Bacardi gearbeitet. Der Rest des Teams hatte bereits das Gepäck abgeholt und war verschwunden. Nur ein Kameramann war noch da und sprach in sein Handy.
    »Das ist ja ein schlaues Bürschchen«, sagte er. »Du kannst das jetzt alles ganz allein machen? Was hat denn die Mami gesagt?«
    Die letzten Gepäckstücke erschienen auf dem Band und rumpelten ins Blickfeld. Ein schwarzes Paar lud einen Riesenkoffer auf seinen Trolley und schob ihn davon.
    »Wie viele Welpen?«, fragte der Kameramann. »Hast du sie streicheln können? … Mmm, gut, wir werden sehen. Vielleicht, wenn du ein wirklich braver Junge bist. Ah, da ist mein Koffer.« Mit der freien Hand hievte er ihn vom Band. Noch über sein Handy gekrümmt, entfernte er sich, verschluckt von seinem anderen Leben.
    Amy stand allein da; um sie herum hallten Stimmen von weit her. Es war spät, und die meisten Gepäckbänder standen still. Sie kratzte sich einen Moskitostich am Handgelenk. Aus irgendeinem Grund dachte sie an ihren Bruder, der im Alter von sechs Monaten gestorben war und nie erwähnt wurde. Er wäre heute dreißig und hätte vielleicht eigene Kinder. Sie stellte sich vor, wie sie sie als altes Tantchen verwöhnte. Vielleicht hätte sie ihnen einen Welpen gekauft. Seine Ehefrau, eine Frau, die er nie kennenlernen würde und die jetzt mit neuer Familie ausgestattet war, würde sich gegen dieses Geschenk sträuben, letztendlich aber den Neuzugang der Familie willkommen heißen.
    Der Lautsprecher dröhnte: Bitte behalten Sie Ihr Gepäck immer bei sich . Schließlich stieß Amys Koffer die Klappe auf und schob sich ins Blickfeld. Er sah einzelgängerisch aus. Rot und tapfer, weit gereist und allein auf der Welt.
 
    Mitternacht, und Amy schleifte ihren Koffer aus der U-Bahn. Es war Januar und bitterkalt. Gegen den Wind gestemmt, trottete sie vorbei an der geschlossenen Bibliothek, vorbei am grellen Licht des Kebab-Ladens. Zu Hause hatte sich die Post auf der Türmatte angehäuft – Mitteilungskarten Empfänger nicht angetroffen für nicht zugestellte Pakete, ein Flugblatt der Konservativen. Die Küche war in demselben chaotischen Zustand, in dem sie sie verlassen hatte, allerdings war der Geruch stärker geworden; sie hatte ihn nicht ausfindig machen können und gehofft, er wäre bei ihrer Rückkehr verschwunden. Warum sollte er? Das wusste sie auch nicht.
    Amy setzte sich und steckte sich eine Zigarette an. Eine Erlösung, dass Neville nicht da war! Sie brauchte nicht draußen im Garten zu frösteln. Sie konnte tun, wozu sie Lust hatte – die ganze Nacht aufbleiben, den ganzen Tag im Bett verbringen und sich Sachen auf YouTube ansehen, die Wohnung in noch größeren Schmutz versinken lassen, ohne dass jemand missbilligend ›iih‹ sagte, Prominentenklatsch lesen, ihre alte Kollegin Josie um sich haben, die Neville immer als Nervensäge bezeichnet hatte …
    Es war zwei Uhr. Amy hatte eine lange Zeit dagesessen. Mit steifen Gliedern stand sie auf. Waschen erschien ihr zu mühsam, und so legte sie sich angekleidet aufs Bett und zog sich die Daunendecke über den Kopf. Sie konnte im Bett auch furzen; nur ein weiterer von all den vielen Vorteilen des Alleinlebens.
    Am nächsten Morgen konnte sie es nicht länger aushalten. Ihre Augen taten vom Weinen weh. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und versuchte sich zusammenzureißen. Um neun Uhr fasste sie sich endlich ein Herz und wählte die Nummer von Nevilles Schwester.
    Nach freundlichem Geplauder

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