Club der Verdammten 2 - Liebesseele (German Edition)
Ausstrahlung. Ihre Wesen. Und du hattest Angst. Hüte dich vor ihnen
.
Ja, das stimmte. Zwischendurch hatte sie Angst gehabt. Dieser Marco Carwin wirkte einschüchternd, mehr als das. Und der Albtraum mit Emily … sie mochte nicht daran denken. Die drei Medizinstudenten traten ernsthaft und ruhig auf, da kam keine Beklemmung auf. Lukas Händedruck hatte ein Prickeln verursacht, das sie nicht einzuordnen wusste, doch damit erschöpfte sich das Sammelsurium der Merkwürdigkeiten schon. Und nahm Daniel nicht den Platz des begehrenswertesten Mannes ein, dem sie jemals begegnet war? Sein höfliches und korrektes Auftreten … nichts an ihm hatte ihr Unbehagen bereitet.
Gauklerin!
Seit wann machte sie sich etwas vor, verharmloste ihre Sinneseindrücke, versuchte, sie in den Hintergrund zu drängen, anstatt sie zu analysieren? Ja, wenn das ginge … wenn sie einen Anhaltspunkt hätte, was es denn hier eigentlich zu analysieren gäbe.
Sie zog sich hastig an und machte sich auf den Heimweg.
Da sie nicht wusste, was sie heute Abend unternehmen würden, entschied sie sich, eine elegante schwarze Hose anzuziehen, dazu Sandaletten mit flachen Absätzen und eine schwarze Bluse, deren oberer Teil ab dem Ausschnitt bis einschließlich der Schultern und der halblangen Ärmel aus halbdurchsichtigem Chiffon bestand.
Nein, komplett in Schwarz sah zu sehr nach Trauer aus. Mit einer weißen Bluse wirkte sie wie eine Kellnerin … die rote musste erst gebügelt werden. Mist. Sie entschied sich letztlich doch wieder für die schwarze, wechselte jedoch den BH gegen einen mit feiner Spitze, weil die Ansätze unter dem Stoff zu sehen waren. Sie lockerte das Outfit mit einem silbernen Gürtel auf, der wie eine zweireihige Kette um ihre Taille lag. Die silbernen High Heels. Holly schleuderte die flachen Schuhe von den Füßen.
Fehlte noch die Halskette mit den dicken mattsilbernen Kugeln. Ein Hauch silbriger Lidschatten. Als sie sich im Spiegel betrachtete, missfiel ihr die Frisur – die offenen langen Haare wirkten zu wild. Mit fliegenden Fingern zauberte sie eine Hochsteckfrisur, befestigte sie mit silbernen Klammern und zupfte an den Seiten ein paar Strähnen hervor. Jetzt gefiel sie sich. Sie sah nicht zu aufgedonnert aus, allerdings auch nicht langweilig. Sie blickte auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten.
Auf dem Weg durch das Wohnzimmer griff sie nach der letzten Weinbrandpraline und schob sie genussvoll in den Mund. Heiliger Bimbam, jetzt würde sie nach Alkohol stinken. Sie jagte zurück ins Bad und putzte sich die Zähne.
Emily hatte hinter einem der Eingänge des Terminals gewartet, bis Daniel davonfuhr. Gleich darauf war sie hinausgestürmt, hatte ein Taxi herbeigewunken und sich in ein 5-Sterne-Hotel in der Londoner Innenstadt bringen lassen.
Auf dem breiten Bett liegend wartete sie, dass ihr Luka und Paula ihre Gedanken sandten. Sie wusste, dass das unweigerlich kommen würde. Die beiden brachten ihr aufrichtige Gefühle entgegen, doch Daniel gegenüber empfanden sie nicht anders. Als die einfühlsamen Worte in ihrem Kopf erklangen, riss Emily sich zusammen, wälzte ihre zu diesem Zweck ersonnenen Pläne, bis sie sicher sein konnte, dass Paula und Luka sich aus ihrem Geist zurückgezogen hatten. Sie würden nicht erneut in ihrer Privatsphäre herumstochern und der grundanständige Daniel schon gar nicht.
Tz! Selbst schuld. Wie leicht wäre es für die eingebildeten Schattenseelen, ihr Vorhaben zu erkennen und zu durchkreuzen. Aber die glaubten, etwas Besseres zu sein. Anstand bewahren zu müssen, Regeln zu befolgen. Emily folgte ebenfalls welchen, nämlich ihren eigenen. Und die besagten, dass sie sich nichts wegnehmen ließ, was sie haben wollte. Daniel gehörte ihr. Er hatte sie geliebt. Oh, wie sie es verabscheute, dass sie sich nicht wie Paula in eine wunderschöne Krontaube verwandeln konnte, in einen majestätischen Kampfadler oder eine Kingtaube wie Luka, in den Ehrfurcht einflößenden Steinadler, in dessen Federkleid Daniel in die Lüfte glitt. Sie beherrschte es nur, die Gestalt eines schwachen Rabenvogels anzunehmen, einer pechschwarzen Krähe.
Besser als gar nichts, tröstete sie sich. Sie flog zum Schloss und beobachtete es beharrlich. Ihre Intuition erwies sich als richtig, als sich Daniel gegen Abend auf sein Motorrad schwang und sich Richtung London auf den Weg machte. Obwohl er viel schneller fuhr, als sie mit ihren maximal dreißig Stundenkilometern fliegen konnte, verlor sie ihn nicht aus den Augen.
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