Club der Verdammten 2 - Liebesseele (German Edition)
aber die Temperaturen lagen noch immer bei angenehmen 27 Grad. Nur die Sonne wollte nur vereinzelt zwischen Wolkenbergen hervorschauen, für den Abend hatte der Wetterbericht Gewitter angesagt. Paula bückte sich nach einem Stöckchen und warf es in weitem Bogen von sich. Tjara jagte kläffend hinterher und kam in irrwitzigem Tempo mit ihrer Errungenschaft zurückgerast. Der Sand spritzte unter ihren Pfoten auf.
Weiter hinten sah sie Luka, der auf einem hölzernen Bootssteg stand und mit einem Fischer diskutierte. Er wollte ihn überreden, sie zum Fischfang mit aufs Meer hinauszunehmen. Paula schmunzelte. Sie hatte Luka neckend verboten, den Mann mental zu beeinflussen und erwartete gespannt, ob es ihm gelingen würde, ohne übersinnliche Fähigkeiten sein Ziel zu erreichen.
Nur wenige Meter vom Ufer entfernt lockte eine kleine Palmgruppe zum Verweilen. Paula ging darauf zu, setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm. Spielerisch zog sie mit dem Zeigefinger Kreise im Sand. Bei ihrer Ankunft vor drei Tagen hatte sich das Wetter freundlicher gezeigt, derHimmel empfing sie bei der Landung mit strahlendem Blau.
Ihre Gedanken streiften planlos und unbeschwert umher, wie ihr Blick über die leicht aufgeraute, türkisblaue See und den wolkenverhangenen Himmel. Paula schloss die Augen, rundum beschwingt, sorglos und glücklich. Am liebsten hätte sie die Welt umarmt, jeden, der es wollte oder auch nicht, an ihrem Wohlbefinden teilhaben lassen. Sie lehnte den Kopf in den Nacken und suchte Fantasiegebilde am Himmel, die der Wind im nächsten Moment in etwas anderes verwandelte. Ein Hund, Hände, ein Auge …
Ein Flugzeug stach aus den Wolkenbergen. Sie winkte lachend den Urlaubern zu, auch wenn es albern war. Vermutlich landete die Maschine in wenigen Minuten auf der gegenüberliegenden Inselseite nahe Maheboug. Sir Seewoosagur Ramgoolam International Airport of Mauritius … wer sollte sich das eigentlich merken? Kein Wunder, dass man den Flughafen allgemein nur Plaisance nannte. Woher die Bezeichnung stammen mochte? Sie kannte das Wort nur aus dem Französischen. Jacht. Port de Plaisance – Jachthafen. Bateau de Plaisance – Ausflugsschiff. Soweit sie sich an die Recherchen über ihr erstes Urlaubsziel erinnerte, die sie im Internet auf dem Weg hierher betrieben hatte, sprach man auf der Insel Morisyen, eine Kreolsprache, die auf dem Französischen beruhte. Aber Jachthafen und Flughafen? Die Verbindung konnte sie nicht unbedingt herstellen …
Paulas Blick wanderte wieder zu Luka. Er gestikulierte mit den Armen und schien noch nicht an sein Ziel gekommen zu sein. Sie grinste.
Das Lachen verging ihr, als eine Bilderflut jäh über sie hereinbrach. Sie riss die Hände vor das Gesicht, ein ersticktes Stöhnen drang über ihre Lippen. Tjara bellte. Der Geruch von Blut kroch ihr in die Nase, Übelkeit und Panik stiegen ihre Kehle herauf. Paula krümmte den Oberkörper, umfasste mit beiden Armen ihre angezogenen Knie. Sie stützte den Kopf auf, versuchte, sich gegen die Bilder zu wehren, ihren Geist in den Regenbogen zu stellen, aus dem sie von Zeit zu Zeit Kraft für Körper und Seele zog. Doch die Farben verdeutlichten die grauenhafte Abfolge von Sequenzen in ihrem Hirn nur noch mehr. Sie verkrampfte sich, voll panischer Erwartung, welch grauenvolle Vision sie diesmal überkommen würde.
Eine Halle, wahrscheinlich eine Sporthalle … jetzt erkannte sie es deutlich, es war eine Eislaufhalle. Feine Nebelschwaden stiegen auf, zumindest an den Stellen, wo der Boden frei war. Dutzende, eher Hunderte Körper in Leichensäcken lagen nebeneinander. Nur schmale Lücken waren zwischen den Reihen begehbar. Männer mit Atemschutzmasken und in Schutzkleidung schleppten pausenlos weitere Säcke herein. Sie mussten die Toten in zweiter, teilweise bereits in dritter Ebene stapeln. Manche waren nur in Tücher gehüllt, ehemals weiß, von Unmengen Blut getränkt. Der Geruch verdichtete sich zu einer unerträglichen Wolke aus Grauen und Tod. Sie wollte das alles nicht sehen, nicht riechen, hören, spüren – aber sie kam nicht weg. Es blieb nur die Flucht nach vorn.
Paula verbot sich, Angst zu empfinden. Sie drängte alle Gefühle beiseite und ließ ihren Geist einen Schritt vortreten. Ein eisiger Hauch umfing sie, ließ sie taumeln, obwohl ihr Körper weiterhin zusammengekauert am Stamm der Palme lehnte. Sie glitt zwischen den Reihen der Leichen hindurch, näherte sich der Tür, wo weitere Männer mit
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