Club der Verdammten 2 - Liebesseele (German Edition)
und ihr gab. Dass sie eins waren, ihre Seelen untrennbar verbunden. Dass jeder alles vom anderen wusste, seine Gedanken, seine Emotionen teilte. Der Kummer, dass das nicht stimmte, nagte an ihr. Und was hatte sie getan, dass Luka sie so wütend anblitzte? Das war zuletzt der Fall gewesen, als er noch unter den Auswirkungen dieses verdammten Fluchs zu leiden hatte. Als seine Gefühle von Wut und Hass gepeinigt Achterbahn fuhren und seine Handlungen und Reaktionen sich immer mehr in Richtung des Bösen bewegt hatten.
Es tat weh. Die Erkenntnis, dass sie längst nicht alles miteinander teilten. Dass es Geheimnisse gab. Natürlich war es kein Problem, dass Luka seine Privatsphäre hatte, schließlich waren sie sich ohne Worte einig, nie über gewisse Grenzen des Anstands hinaus in die Gedanken des anderen einzudringen. Doch eine Fähigkeit wie diese hätte er ihr mitteilen können. Es wäre etwas völlig anderes gewesen, wenn sie es gewusst hätte. Wenn er es nicht für sich behalten hätte. Woher zur Hölle sollte sie wissen, welche Fähigkeiten in ihr, in Schattenseelen, in anderen Parawesen steckten? Sie war doch erst seit wenigen Wochen zum Halbengel geworden, verdammt!
Fast wären ihr Tränen gekommen. Paula schluckte die Enttäuschung hinunter, zwang sich, sich nichts anmerken zu lassen, denn irgendwie wusste sie, dass sein Blick auf ihren geschlossenen Augen ruhte. Sie unterdrückte jede Regung ihrer Gesichtsmuskeln. Warum ergriff er nicht ihre Hand? Es müsste bei ihm liegen, einen Schritt auf sie zuzukommen. Klar, sie hatte sich zickig und beleidigt benommen. Aber immerhin hatte er Wichtiges vor ihr verheimlicht.
Zum zweiten Mal, seit Luka und sie am Heiligen Ort zusammengefunden hatten, seit der unselige Fluch besiegt war, seit Adriel und Jonas sich als Lichtgestalten in Milliarden Glitzerpünktchen aufgelöst und sie verlassen hatten, stellte Paula ihren Geist wieder in den Regenbogen. Es war ihr Daddy gewesen, der ihr als kleines Mädchen beigebracht hatte, wie sie innere Ruhe und Kraft fand. Wie sie die Stürme ihrer Psyche, Fluten ungelöster Fragen, Probleme und Emotionen in den Griff bekam. Doch die wohltuenden Farben des Lichtbogens wirkten wie bereits beim letzten Versuch nicht beruhigend. Sie peitschten ihr Denken an, jagten es gnadenlos vorwärts. Das weiche Licht geriet zu grellbunten Farbstreifen, die sich immer schärfer voneinander abzeichneten. Die rote Spur sog sie wie magisch an. Sie schien sie verschlingen zu wollen, bis eine Farbbombe in ihrem Geist explodierte. Rot.
Langsam schälten sich Bilder aus einer wie blutgetränkten Wand. Als sie Formen angenommen hatten, war es nicht wie bei den vorherigen Visionen. Es ruckelte nicht, es schalteten sich keine neuen Eindrücke hinzu, sie fühlte sich nicht handlungsunfähig dahinschweben. Ihr Blickfeld verengte sich, bis sie durch die Augen einer anderen Person schaute. Und dennoch hielt die Vision sie bewegungslos gefesselt fern von dem Geschehen, das sich vor ihr abspielte. Wie ein Blitz durchfuhr sie die Erkenntnis, dass sie wieder einmal nur Zuschauer war – in fremder Haut.
Es war nicht nur das, was sie sah, sondern ungleich mehr die Gefühle der Person, die sie wie am eigenen Leib spürte, als der schreckliche Film durch ihre Sinne geisterte.
Ein Blick zurück über die Schulter, die Rolltreppe hinab. Aufwallende Panik, als sich die Menschenmenge zu teilen begann. Blasse, verschreckte Gesichter von Dutzenden Umstehenden, die mit angstvoll geweiteten Augen teils tonlos, teils kreischend zurückwichen. Andere, die mit gesenkten Köpfen auf den Boden starrten. Ein Bursche, vielleicht vierzehn oder fünfzehn, dessen Wut sich auf seinen Zügen und in seiner Körperhaltungabzeichnete, wie Reklame auf einer Plakatwand. Zwei weitere Jungen, die den sich wild Wehrenden eisern festhielten. Es dauerte höchstens eine halbe Sekunde, in der sich die Eindrücke offenbarten, bis sie den Grund für die Unruhe erfasste.
Drei vollkommen betrunkene Männer, die eine Frau anpöbelten, schubsten, mit einer zerbrochenen Bierflasche attackierten. Die Panik der Person, durch deren Augen sie blickte, als sie sich in Bewegung setzte. Mit gewaltiger Kraft, einem Tsunami gleich, der alles überrollte, was sich in den Weg stellte und die doch zu spät kam.
Die aus der Schwärze des Tunnels hereinrauschende U-Bahn. Der Stoß, der die Frau stolpern ließ. Wie in Zeitlupe verlor sie das Gleichgewicht, strauchelte. In dem Moment, als sie auf die Schienen stürzte,
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