Club Kalaschnikow
habe.«
»Was hatte sie denn?« fragte Katja.
»Brustkrebs.« Ella Anatoljewna begann wieder zu weinen, laut und bitterlich.
Margarita steckte den Kopf ins Zimmer, schnitt eine ausdrucksvolle Grimasse, aber Katja warf ihr einen warnenden Blick zu – bleib lieber draußen. Margarita zuckte die Achseln, brummte spöttisch »hm« und verschwand wieder.
»Dabei ist sie so ein hübsches Ding und noch so jung.« Ella Anatoljewna schneuzte sich geräuschvoll in ihr nicht mehr allzu frisches Taschentuch. »Und schon ein Krüppel. Früher konnte sie sich vor Männern kaum retten, aber jetzt hat sie niemanden mehr, nur diesen Kümmerling Wowtschik vom Dynamo-Markt. Es vergucken sich natürlich immer noch viele in sie. Aber irgendwann wollen sie mit ihr in die Kiste und dann – schwupp, sind sie weg. Es gibt ja Prothesen, die sehen aus wie echt. Aus Silikon. Aber die kosten fünftausend Dollar. Woher sollen wir soviel Geld nehmen? Einen hatte sie, der war Abgeordneter, ein bekannter Mann, so ein ganz solider. Ich habe ihn nie gesehen. Na, wie auch, er war natürlich verheiratet. Mit ihm war sie lange zusammen, er hat ihr Geld gegeben, soviel sie wollte, und so hat er das dumme Huhn ans süße Leben gewöhnt. Fünf Jahre ist das gegangen. Aber mir hat sie ihn nie vorgestellt, vor mir hat sie alles streng geheimgehalten. Jegor hieß er. Wenn er angerufen hat, hat er mich immer höflich begrüßt, mich mit Namen und Vatersnamen angeredet und sich nach meinem Befinden erkundigt, aber sich selbst hat er nicht vorgestellt. Ich hab ihn aber immer an der Stimme erkannt. Ein gebildeter Mensch, keine Frage. Wer bin ich dagegen schon? Ich möchte nur, daß es meiner Sweta gut geht. Ich geb’s zu, ich hab sogar gedacht, er läßt sich von seiner Frau scheiden und heiratet Sweta. Aber woher! Als die Geschwulst bei ihr entdeckt wurde, hat der gute Jegor sich schnellstens aus dem Staub gemacht. Kein einziges Mal hat er angerufen. Sie lag im Onkologiezentrum an der Kaschirka-Straße und hat mich immer gefragt: Hat er angerufen? Ein paarmal hab ich sie sogar angelogen, hab gesagt, ja, er hat angerufen, hat nach dir gefragt. Aberin Wirklichkeit hat er sich nie gemeldet. So sind sie alle, diese Schufte.«
»Ist Sweta schon lange mit Margarita Krestowskaja befreundet, Ella Anatoljewna?«
»Margarita hat Mitleid mit ihr, von allen alten Freunden und Freundinnen ist sie die einzige, die ein Mensch geblieben ist. Sie hat Sweta im Krankenhaus besucht, hat sie dann später nach der Operation unterstützt, hat bei ihr gesessen und ihr versichert, daß das Leben nicht zu Ende ist. Sie hat sich für mein Dummerchen sogar erkundigt, wo man eine gute Prothese bestellen kann. Margarita werde ich ewig dankbar sein. Sie ist ein Mensch. Auch wenn sie jetzt eine berühmte Schauspielerin geworden ist, so ist sie doch ein Mensch geblieben. Sweta massiert sie ab und zu und verdient sich damit ein bißchen Geld.«
»Sie kennen sich also schon sehr lange?«
»Ja«, sagte Ella Anatoljewna, »Sweta hat früher als Maskenbildnerin am Maly-Theater gearbeitet, und Margarita hat dort an der Schtschepkin-Schule ihre Schauspielausbildung gemacht.«
»Und warum steht Sweta jetzt auf dem Trödelmarkt?« fragte Katja erstaunt. »Mit Massagen kann man doch gut verdienen.«
»Um als Masseurin gut zu verdienen, muß man eine eiserne Gesundheit haben. Und nach der Operation, nach der ganzen Chemotherapie, den Bestrahlungen und Hormonen war es mit der Gesundheit nicht mehr weit her, ihre Arme waren schwach und ihr war oft schwindlig.«
»Sie sagten, sie wollte am Samstag, kurz bevor sie verschwand, zusammen mit Margarita irgendwohin fahren«, erinnerte Katja sie.
»Ich weiß nicht mehr, wohin sie wollte, mit wem … Sie ist so gemein zu mir, sagt mir nie, wohin sie geht, die eigene Mutter ist ihr völlig egal, sie lebt bei mir wie im Hotel.«
»Aber Sie sollten doch besser zur Miliz gehen und ihrVerschwinden melden«, schlug ihr Katja vorsichtig vor, »Sie sagten ja, ihr wird oft schwindlig. Vielleicht ist ihr auf der Straße schlecht geworden?«
»Miliz? Was für eine Miliz? Von mir aus kann das Dreckstück krepieren! Ich hab’s so satt, ich will nicht mehr leben! Hunde seid ihr alle, Hunde! Was willst du überhaupt von mir, wieso rückst du mir so auf die Pelle und fragst mir Löcher in den Bauch?«
Sie begann hysterisch zu schreien und zu schluchzen. Galja Sykowa, eben jene Galja, die ihr von Glebs Tod berichtet und ihr die Adresse gegeben hatte, erbot sich,
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