Club Kalaschnikow
erschienen waren, um ihr Glück zu versuchen. Boris beobachtete nicht ohne Schadenfreude, wie Siwolap suchend über den Hof trabte. Jetzt hatte er es kapiert, dieser Kotzbrocken, daß es ein Fehler gewesen war, so geizig zu sein. Aber jetzt war es zu spät, aus, vorbei, Sense! Schäbige fünfzig Dollar! Es war gekommen wie im Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Und wer dieses Gold, sein Schweigen, kaufen wollte, der würde nicht knausern.
Er hatte bereits im voraus sehr sorgfältig auf ein kariertes Schulheftblatt mit Filzstift und in Druckbuchstaben geschrieben:
»Jemand hat sie im gebüsch geseen in der mordnacht und hat Sogar geseen wie sie geschossen ham. Ich kan schweigen für eine Belonung von ein tausend Dollar aber sofort und ohne Schmu. Ich warte morgen nacht von 12 bis 2 auf der Bank am zaun wo sie geschossen ham. Andern fals gehe ich übermorgen zu den Bullen und sage das ich sie gesen habe.«
Nach kurzem Nachdenken setzte er das schöne, geheimnisvolle Wort »ein Wohltäter« darunter.
Natürlich hätte er auch noch mehr fordern können. Aber Boris war ein vorsichtiger Mensch. Immerhin hatte er es mit einem Mörder zu tun … Und tausend Dollar war gerade so viel Geld, daß ein wohlhabender Mensch sich deswegen nicht noch einmal die Finger schmutzig machen brauchte und ohne langes Feilschen zahlen würde.
Er wartete ab, bis die Fernsehleute sich ergebnislos verzogen hatten und der Hof still und menschenleer war, dann schlüpfte er leise aus seinem Versteck und huschte schattengleich zu einem der Autos.
»Du dürftest eigentlich gar nicht hier sein, wenn’s mit rechten Dingen zuginge«, brummelte er vor sich hin, »da wird die arme Seele geehrt, die du abgemurkst hast, und da hast du, rein menschlich gesehen, überhaupt nichts zu suchen.«
Er seufzte tief auf und bekreuzigte sich rasch, um die sonderbaren Gefühle, die ihn plötzlich überfielen, abzuwehren. Dann befestigte er seinen Zettel mit einem Stück Leukoplast am Griff der Fahrertür und huschte zurück in sein Versteck. Nun brauchte er nur noch zu warten und sich davon zu überzeugen, daß der Zettel seinen Adressaten erreichte. Vorausgesetzt natürlich, er hatte sich nicht doch in der Person geirrt.
***
Endlich war es Katja gelungen, sich mit Swetas Mutter an einen ungestörten Ort zurückzuziehen. Sie hatte das Gespräch nicht in der Küche fortsetzen wollen, wo außer Shannotschka noch mehrere andere Leute waren, auch nicht im Wohnzimmer am gemeinsamen Tisch. Die betrunkene Frau drängte sich überall mit Erinnerungen, Geständnissen und Einzelheiten aus ihrem traurigen Leben auf, schluchzte, küßte die Leute ab und ging allen bereits gründlich auf die Nerven.
Katja führte sie unauffällig in ihr Zimmer und schloß die Tür. Ella Anatoljewna freute sich, endlich einen Zuhörer gefunden zu haben, und redete wie ein Wasserfall. Nur ab und zu holte sie Luft und kippte ein weiteres Glas Schnaps hinunter. Katja hatte vorsorglich einige Häppchen zu essen mitgenommen – Käse, Wurst, in Scheiben geschnittene Grapefruit.
»Nun komm, trink mit«, drängte Ella Anatoljewna sie und schüttete mit zitternder Hand Kognak in Katjas Glas.
Wie die meisten Alkoholiker war sie in diesen Dingen empfindlich. Sie legte Wert darauf, daß der Zuhörer mittrank – so gehörte es sich.
Katja führte das Glas an die Lippen und stellte es dann heimlich beiseite, ohne den Kognak angerührt zu haben. Sie trank überhaupt keinen Alkohol. Von Alkohol bekam sie augenblicklich Kopfschmerzen und wurde schläfrig.
»Zier dich nicht! Es ist eine Sünde, nicht für den Seelenfrieden des eigenen Mannes zu trinken. Ex! Dein Glas ist ja noch genauso voll wie vorher«, stellte Ella fest, vergaß es aber gleich wieder und schnatterte atemlos weiter über ihr unglückliches Leben.
Katja erwies sich als dankbare Zuhörerin, sie bat nur dringend darum, nicht so laut zu schreien, und die betrunkene Frau bemühte sich, möglichst leise zu sprechen. Allerdings wußte sie über ihre ungeratene Tochter nur sehr wenig zu erzählen, ihre Gedanken verwirrten sich, und sie sprang von einem Thema zum nächsten.
»Sweta ist erst nach der Operation so eine Furie geworden. Ich sag ihr, sei doch froh, daß du am Leben geblieben bist. Aber sie ist zornig auf die ganze Welt«, berichtete Ella wegwerfend. »Sie war gewohnt, viel Geld zu haben, aber nach der Operation ging’s mit ihr bergab. Ich hab mit dem Trinken angefangen, als ich die Diagnose erfahren
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