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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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irgendwelche Vorteile für sich selbst herauszuschlagen? Um seinen Drohungen Nachdruck zu verleihen, hätte er Barinow vorflunkern können, daß die Kassette sich nicht bei Lunjok, sondern bei ihm, in einem Geheimfach, befände.
    »Ein Klasseporno. Leihst du ihn mir zum Überspielen?« Lunjok hatte diesen Satz noch deutlich im Ohr. Gleb hätte ohne weiteres eine Kopie für sich machen können. An jenem Abend war er auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen, hatte geschnarcht wie ein Sägewerk. Man hatte ihn dort bis zum Morgen schlafen lassen, direkt neben dem Fernseher und dem Videorecorder. Lunjok hatte genug Kassetten, ganze Regale voll, darunter viele unbespielte. Er hätte eine nehmen und alles, was er wollte, überspielen können, die notwendige Technik war vorhanden. Den Film mit dem nackten Hintern des Herrn Barinow hatte an jenem Abend niemand mehr aus dem Recorder genommen und in den Safe gelegt.
    ***
    Valentina Kornejewa, Nachtschwester in der Gerontologischen Abteilung des Gannuschkin-Institutes für Psychiatrie, hatte große Schwierigkeiten mit einer ihrer Patientinnen.Die alte Frau war am Vormittag eingeliefert worden, ihr Zustand war eigentlich nicht besonders ernst. Aber um drei Uhr nachts kam die Patientin Guskowa in den Flur, beugte sich über den kleinen Tisch, an dem die Schwester saß, faßte sie an der Schulter und flüsterte:
    »Meine Enkelin ist verhaftet worden, sie steht unter Mordverdacht. Ich muß mit dem Untersuchungsführer sprechen.«
    »Morgen früh kommt der Stationsarzt, er wird darüber entscheiden«, sagte die Schwester, »jetzt mußt du schlafen. Es ist schon spät.«
    »Ich kann nicht schlafen. Rufen Sie die Miliz an, sagen Sie, man soll Sie mit der Petrowka verbinden, es geht um einen Mordverdacht. Ich will eine wichtige Aussage machen. Meine Enkelin ist unschuldig. Mir ist etwas eingefallen.«
    »Geh schlafen, Oma, nimm die Tablette hier, und morgen kommt dann der Arzt, der wird sich um alles kümmern.«
    »Nein.« Die Oma ließ sich nicht beruhigen. »Ich kann hier nicht schlafen. Im Krankensaal stinkt es furchtbar, ich will nach Hause. Rufen Sie an, man soll Olga entlassen, sie muß mich hier rausholen.«
    Die Patientin randalierte nicht, sie benahm sich ruhig und sprach ganz vernünftig. Auf dem Krankenblatt hieß es, sie leide an altersbedingtem Schwachsinn, aber es gibt bekanntlich verschiedene Stufen von Schwachsinn. Die Guskowa war noch ganz gut beieinander.
    Es gelang der Schwester, sie wieder zurück in den Krankensaal und ins Bett zu bringen. Aber etwa zwei Stunden später hörte man im Flur schlurfende Schritte. Die Schwester lag auf der Couch im Ärztezimmer und war gerade im Begriff einzunicken, da stand plötzlich die Patientin Guskowa wie ein Gespenst in der Tür.
    »Ich verlange, daß Sie die Miliz anrufen. Die Petrowka.Ich habe mein ganzes Leben in der Volksbildung gearbeitet, ich bin eine Veteranin der Arbeit, mir wird man Gehör schenken. Die Verpflegung hier ist schlecht, ich werde nicht satt und ich kann nicht schlafen, im Krankensaal wird zu laut geschnarcht. Ich bin keine Verrückte, ich bin Veteranin der Arbeit. Meine Tochter und mein Schwiegersohn waren bei der Armee, sie sind in Afghanistan im Dienst für den Weltfrieden ums Leben gekommen. Ich habe nur die eine Enkelin. Sie studiert an der Universität und hat niemanden umgebracht. Ich will nach Hause«, flüsterte die Oma und sah die Schwester mit kläglichem, erschrockenem Blick an.
    Im Unterschied zu den meisten ihrer Kollegen hatte sich die Kornejewa das Mitleid mit ihren Patienten bewahrt. Besonders bedauerte sie die stillen Omas, vernünftige wie diese Guskowa. Sie schreit ja nicht, im Gegenteil, sie flüstert, sie weiß, es ist Nacht, und bemüht sich, die anderen nicht zu wecken. Dabei ist sie sehr erregt. Vielleicht ist ihr wirklich etwas Wichtiges eingefallen? Besser, man betäubt sie nicht mit Medikamenten, sonst vergißt sie es. Es stimmt ja, die Enkelin, ihre einzige Verwandte, ist unter Mordverdacht verhaftet worden. Womöglich ist sie wirklich unschuldig? Sie wird zu Unrecht verurteilt, ist ja alles schon vorgekommen, und die Großmutter geht im Krankenhaus vor die Hunde.
    »Na, dann erzähl mir doch mal, was passiert ist«, bat sie, weniger aus Neugier als aus Mitleid. »Was wirft man deiner Enkelin denn vor? Wie heißt sie eigentlich?«
    »Olga. Sie wird des Mordes verdächtigt. Aber Ihnen kann ich nichts darüber erzählen. Es handelt sich um vertrauliche Informationen, die nur für

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