Club Kalaschnikow
haben sofort Tickets zurück nach Moskau gekauft. Sie hatte ihre liebe Mühe mit mir, sowohlauf dem Flughafen wie im Flugzeug. Ich war in schrecklicher Verfassung, wie du dir vorstellen kannst.«
»Möchtet ihr noch Kaffee?« unterbrach ihn Katja.
»Ja, danke, meine Liebe, gern.«
Sie saßen etwa eine Stunde zusammen, erörterten die bevorstehende Beerdigung und die Trauerfeier. Die ganze Zeit über waren Margaritas schmale, sorgfältig manikürte Finger in Bewegung, glitten über Kalaschnikows Wangen und Hände, streichelten zärtlich seine Schultern.
»Ich beneide dich um deine Selbstbeherrschung«, sagte Kalaschnikow zum Abschied, »du läßt dich nicht unterkriegen. Ja, eure Generation hat ganz andere Werte und Gefühle. Nur meine Margarita ist nicht von dieser Welt, sie ist so zartbesaitet und mitfühlend.«
Er blieb selbst im Unglück ein großer Schauspieler, litt schön, würdevoll und höchst ästhetisch um seinen Sohn. Man hätte die Kamera einschalten und es für die Nachwelt aufnehmen können. Und gleichzeitig verging er noch vor Liebe zu seiner empfindsamen Margarita.
Warum nur, dachte Katja, als sich die Tür hinter ihren Verwandten geschlossen hatte, warum nur macht die Liebe aus einem klugen, begabten Menschen einen verzückten Idioten? Nicht einmal ein solches Unglück berührt ihn wirklich.
Nein wirklich, du bist doch ein Biest, die anderen so zu verurteilen. Sieh dich doch selbst an.
Ihr Gesicht zeigte keine Spuren von Leid. Doch der Schock machte sich anders bemerkbar. Ihre Muskeln waren verkrampft, was ihr früher nie passiert war.
Am nächsten Morgen kam Shannotschka. Auch sie war etwas betroffen über Katjas munteres Aussehen.
»Ich weiß«, sagte sie, »du verdrängst das alles. Das ist sehr schädlich. Besser, man weint sich sofort aus, danach ist einem leichter. Wie hast du geschlafen?«
»Normal.«
»Das finde ich erschreckend«, erklärte Shannotschka, »das ist mir alles etwas zu normal. Eine derart stoische Ruhe nimmt immer ein schlimmes Ende.« Sie schluchzte auf und bot Katja an, die nächsten beiden Wochen bei ihr zu wohnen.
Katja war einverstanden. Beerdigung und Trauerfeier standen noch bevor, es würden sicher eine Menge Leute kommen.
»Was willst du zum Frühstück, Joghurt oder Haferbrei?« fragte Shannotschka.
»Joghurt.«
»Weißt du, je länger ich darüber nachdenke, desto unheimlicher wird mir. Ich will dich nicht erschrecken, aber womöglich galt der Schuß ja dir? Schließlich hast du Gleb ja gehalten, ihr standet eng umschlungen.« Shannotschka band sich eine Schürze um und fing an, das Geschirr abzuräumen.
»Unsinn, wer sollte mich umbringen wollen? Gleb hat mit irgendeiner Verrückten geschlafen, und die hat sich meine Handynummer beschafft. Aber daraus folgt doch noch lange nicht, daß sie sich auch eine Pistole beschafft hat. Weißt du, Shannotschka, die Sache ist zu ernst, um die übergeschnappten Weiber mit hineinzuziehen, die Gleb sein ganzes Leben lang scharenweise belagert haben.«
»Warum hast du dem Untersuchungsführer nichts davon erzählt?«
»Erstens haben die Anrufe aufgehört. Jedenfalls hat sie schon seit zwei Tagen nicht mehr angerufen.« Katja stand auf und ging ins Bad. »Zweitens will ich nicht, daß jemand in unserer schmutzigen Wäsche wühlt. Und drittens …« Katja sprach nicht weiter und schloß sich im Badezimmer ein.
Sie hatte nicht die geringste Lust, über diese unbekannte gehässige Idiotin und ihren widerlichen Telefonterror zu sprechen. Natürlich hatte Shannotschka zum Teil recht.Der Mörder hätte einige Sekunden früher schießen können, als Gleb und sie zum Hauseingang gingen. Sie liefen ja einfach nebeneinander. Wenn er auf Gleb gezielt hatte, wäre es logischer gewesen …
Stopp, sagte sich Katja, das will ich gar nicht weiterspinnen. Und ich werde auch kein Wort darüber verlieren, sonst kommt es garantiert den Journalisten zu Ohren, und die werden sich mit Begeisterung auf so einen saftigen Eheskandal stürzen, zumal einen mit so mystischem Anflug. Es hatte ja nicht nur diese dummen Anrufe gegeben …
Katja stieg aus der Dusche und wickelte sich in ihren warmen Bademantel. Aus der Küche duftete es appetitlich nach frisch gemahlenem Kaffee. Wie gut, daß Shannotschka eine Weile hierblieb. Mit ihr war es ruhiger und gemütlicher.
»Iß.« Shannotschka reichte ihr ein heißes Sandwich mit Käse, auf das sie eine dünne Gurkenscheibe, einen durchsichtigen Radieschenkringel und einen Petersilienzweig gelegt
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