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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hatte.
    Sie brachte es nicht fertig, einfach nur eine Scheibe Käse auf eine Schnitte Brot zu legen. Die Essenszubereitung, selbst wenn es sich nur um ein schlichtes Butterbrot handelte, war für sie eine hohe Kunst.
    »Soll ich das Fenster zumachen?« fragte Shannotschka und stellte einen Kirschjoghurt vor Katja. »Du zitterst ja. Ist dir so kalt?«
    Katja zitterte tatsächlich vor Kälte. Sie hatte niedrigen Blutdruck, ihre Hände und Füße waren immer kalt, selbst wenn es warm war. In den letzten beiden Tagen hatte sie ständig Schüttelfrost gehabt, nur an der Ballettstange oder unter der heißen Dusche wärmte sie sich auf.
    »Ja, mach es zu«, sagte sie, »und setz dich, iß etwas. Sei nicht so hektisch.«
    Mechanisch steckte sie die Hände in die tiefen Taschen des Bademantels und ertastete in der einen Tasche etwasWeiches. Sie zog es heraus. Es war ein Büstenhalter. Ein gewöhnlicher weißer Büstenhalter, ein billiger, ohne Spitzen und Schleifen, augenscheinlich schon oft getragen. Katja faßte den fremden Toilettengegenstand mit zwei Fingern an und verzog voller Abscheu das Gesicht.
    »O mein Gott«, japste Shannotschka, »wirf das nicht weg, warte.«
    »Soll ich das vielleicht auch dem Untersuchungsführer zeigen? Als Beweisgegenstand in Zellophan packen?« fragte Katja mit nervösem Lächeln.
    »Bist du sicher, daß es nicht dein eigener ist?« erkundigte sich Shannotschka vorsichtig.
    »Diese Sorte habe ich noch nie im Leben getragen, außerdem ist er zwei Nummern zu groß …« Katja stand auf, öffnete das Schränkchen unter dem Waschbecken, warf das Fundstück in den Mülleimer und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen.
    »Du hast den Bademantel von Gleb an«, flüsterte ihr Shannotschka hinterher.
    ***
    »Krestowskaja! Du verläßt das Klassenzimmer! Und morgen kommst du mit deinen Eltern wieder!«
    »Was haben Sie denn?« Margarita maß die Mathematiklehrerin mit hochmütigem, spöttischem Blick.
    »Raus, hab ich gesagt!« Die Stimme der Lehrerin überschlug sich.
    Margarita zuckte die Schultern, erhob sich ohne Hast und ging sehr langsam, mit dem fließenden Gang eines Mannequins, zur Tür. Die Klasse war mäuschenstill. Die Mathematiklehrerin sah dem mageren langbeinigen Mädchen in der viel zu kurzen Schuluniform und mit den viel zu schönen feuerroten Haaren haßerfüllt nach.
    Margarita stieß die Tür lässig mit dem Fuß auf. Sie war bemüht, nichts mit den Händen anzufassen. Die schmalenFinger hielt sie angestrengt gespreizt. Auf den langen Nägeln war der frische blaßrosa Lack noch nicht getrocknet. Margarita blieb in der Türöffnung stehen, blickte sich um, funkelte mit ihren grünen Augen und sagte laut, in singendem Tonfall:
    »Man kann sehr wohl die Nägel pflegen und doch ein tücht’ger Bürger sein. Puschkin. Jewgeni Onegin.«
    Ihre Banknachbarin Olga Guskowa besann sich plötzlich, schraubte hastig das Fläschchen mit billigem polnischem Nagellack zu und steckte es in die Tasche ihrer schwarzen Schürze. Sie wußte, daß Margarita den Lack ihrer Mutter gestohlen hatte.
    Die Tür schlug krachend zu. Margarita hatte sie mit einem eleganten Fußtritt von außen zugeworfen. Die Mathematiklehrerin vergaß den Lack. Einige Sekunden lang stand sie mit offenem Mund da. Ihr Gesicht färbte sich langsam purpurrot. Die Klasse saß starr und wartete atemlos, was weiter passieren würde. Die Lehrerin stürzte der vierzehnjährigen frechen Göre hinterher, holte sie ein, packte sie an den Schürzenträgern und schleifte sie zum Direktor.
    Der Direktor war ein Mann der neuen Denkungsart, er war noch nicht lange an der Schule und gedachte auch nicht lange zu bleiben. Er mißbilligte die alten barbarischen Erziehungsmethoden und lag in ständigem Konflikt mit dem Lehrerkollegium.
    »Sie benimmt sich provozierend!« schrie die sechzigjährige Mathematiklehrerin. »Sie stört den Unterricht, lackiert sich dreist die Nägel, wenn ich den neuen Stoff erkläre! Sie tuscht sich die Wimpern, mit vierzehn Jahren! Sie verdirbt die anderen!«
    »Ich tusche mir die Wimpern nicht. Ich habe von Natur aus solche Wimpern«, erklärte Margarita ruhig. »Und ich verderbe auch niemanden. Sie, Sinaida Dmitrijewna, behandeln uns Mädchen schlecht. Besonders die hübschen. Ja, esist unhöflich, sich im Unterricht die Nägel zu lackieren. Entschuldigen Sie. Aber im übrigen sind Sie im Unrecht.«
    »Schweig, du Miststück! Hinaus mit dir!« Die Lehrerin schrie so laut, daß ihre Stimme brach und sie husten

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