Club Kalaschnikow
Bude neben den überdachten Garagen kam bereits verschlafen der Wachmann heraus.
»Schaffen Sie mir diese Leute vom Hals! Sofort! Auf der Stelle!« schrie Kalaschnikow.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren, vielleicht sogar in seinem ganzen Leben, verlor er die Beherrschung. Der Schmerz, der sich in seiner Seele angesammelt hatte, seitdem er erfahren hatte, daß sein Sohn tot war, brach plötzlich heraus und überschwemmte alles ringsum. Der feuchte Asphalt unter seinen Füßen begann zu verschwimmen, der Regen schlug ihm ins Gesicht und schmeckte bitter und salzig. Kalaschnikow weinte.
Ohne etwas zu erkennen, wankte er zu seinem blauen Toyota und brauchte eine Ewigkeit, bis er mit dem Schlüssel das Schlüsselloch traf. Als er endlich im Wagen saß, fiel er mit dem Kopf vornüber auf das Lenkrad.
Der Wachmann hatte Reporter und Kameramann längst verjagt. Er ging zum Auto und klopfte vorsichtig an die Scheibe.
»Ist Ihnen nicht gut, Konstantin Iwanowitsch? Soll ich Hilfe holen?«
»Nein«, Kalaschnikow wandte ihm sein verweintes Gesicht zu, »danke, Gennadi, ich bin schon wieder in Ordnung. Mir ist nur wegen dieses Kotzbrockens der Kragen geplatzt.«
»An die Wand sollte man die alle stellen, diese Scheißreporter.« Der Wachmann spuckte aus und schüttelte mitfühlend den Kopf.
Kalaschnikow rieb sich die Augen mit einem Taschentuch, schneuzte sich laut und ließ den Motor an. Er mußte sich beeilen, um noch rechtzeitig bei Ufimzew zu sein.
Der General empfing ihn im Matrosenhemd und in ausgewaschenen Jeans.
»Kopf hoch, Konstantin. Wir beide gehören doch noch zur alten Garde, wir müssen Haltung zeigen.«
Die Generalsgattin Klara Borissowna, eine mollige, muntere Frau, war gerade in der Küche beschäftigt. Sie kam in den Flur, um den Gast zu begrüßen, und küßte den alten Schauspieler auf die Wange. Sie roch anheimelnd nach Teig, Vanille und der Hitze des Backofens.
»Wie steht’s, Konstantin, gönnst du dir hin und wieder eine Mehlspeise?« fragte sie. »Ich wollte nämlich Milchbrötchen zum Tee backen.«
»Gern.« Kalaschnikow lächelte schwach. »Danke, liebe Klara. Wie schön ihr es habt, Kinder, bei euch kann man so richtig durchatmen.«
»Ja«, Klara nickte, »wir haben es schön. Wir leben nun schon fünfunddreißig Jahre einträchtig zusammen.«
Das klang wie ein unpassender giftiger Seitenhieb. Der General warf seiner Frau einen warnenden Blick zu.
Nach der Scheidung von Nadja und der Heirat mit Margarita war Konstantin von vielen Ehefrauen seiner alten Freunde verurteilt worden, sie betrachteten ihn als Verräterund prophezeiten ihm nicht nur Hörner, sondern ein ganzes Geweih.
»Er wird noch eine Menge Ärger mit seinem Flittchen haben, die ist doch nicht auf ihn scharf, sondern nur auf seinen Namen, sein Geld und seine Stellung«, sagten die alternden Frauen zu ihren leichtsinnigen, sich jugendlich gebenden Männern.
In der ersten Zeit nach der Scheidung hatten sie Nadja ständig eingeladen, sie bedauert, diese »widerliche Schlampe« Margarita mit Schmutz überhäuft und geschworen, daß sie sie niemals auch nur grüßen würden.
Aber nach und nach wurde ihnen Nadjas hoffnungsloser Blick und ihr trauriges Schweigen zu viel. Nun hieß es, sie sei zum Teil selber schuld gewesen, sie hätte mehr tun müssen, um sich in Form zu halten. Sicher, das ist nicht leicht und wird mit den Jahren immer schwerer. Aber anders geht es nicht. Auch mit fünfzig muß eine Frau eine Frau bleiben, auch mit sechzig, sie muß weibliche List einsetzen und um den Mann kämpfen.
Allmählich verlor diese unerfreuliche Geschichte ihre Brisanz und war kein Gesprächsthema mehr. Man vergaß Nadja und gewöhnte sich an Margarita. Kalaschnikow nahm sie überallhin mit. Sie verstand es zu gefallen, sogar den Ehefrauen seiner alten Freunde. Ein tolles Mädchen, so charmant, so unbefangen und lebendig.
Aber trotzdem hielt es Klara Ufimzewa nicht aus und fragte: »Wie geht es Nadja?«
»Schlecht«, seufzte Kalaschnikow, »sie hatte eine schwere Hypertonie.«
»Wenn sie Hilfe braucht, sag es mir, schließlich war es ein entsetzlicher Schlag! Ich werde sie auf jeden Fall anrufen.«
»Danke, Klara.«
»Oje, meine Brötchen!« besann sich die Generalsgattin plötzlich und rannte in die Küche.
Ufimzew und Kalaschnikow gingen ins Wohnzimmer.Auf dem Couchtisch standen schon Schnapsgläser, eine Flasche französischer Kognak und eine Schale mit Obst.
»Na, wie ist’s, Konstantin, ein Gläschen in
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