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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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sein.«
    »Ja, ich verstehe. Ich gehe sofort. Aber gib mir die Pistole.«
    Ohne ein Wort zu sagen, stand sie auf und ging ins Zimmer. Man hörte die Oma ärgerlich brummen und das Geräusch einer Schublade, die aufgezogen wurde. Einen Augenblick später kehrte sie zurück, in der Hand eine kleine flache Schachtel mit goldfarbenem Flechtwerk. Grischetschkin öffnete sie, schaute hinein und schloß sie sofort wieder. Er verstaute sie in seinem Lederkoffer, den er an den Hocker gelehnt hatte.
    »Ruh dich gut aus.«
    Sie gab keine Antwort und öffnete nur schweigend die Tür. Er trat ins Treppenhaus und merkte, daß sein Hemd völlig durchnäßt war. Es schüttelte ihn wie im Fieber.
     
    »Felix Eduardowitsch! Guten Tag!« Major Kusmenko lächelte breit und streckte Grischetschkin die Hand hin. »Was für ein glücklicher Zufall, daß wir uns hier treffen.«
    Grischetschkin fuhr zusammen, starrte den Major mit runden, schreckerfüllten Augen an und öffnete, ohne ein Wort zu sagen, die Autotür.
    »Felix Eduardowitsch, erkennen Sie mich nicht?«
    Nein, er hatte ihn erkannt, er hatte ihn sehr wohl erkannt. Er schlug die Tür zu, verriegelte sie sofort, drehte mit zitternder Hand den Zündschlüssel um und trat aufs Gaspedal. Der Toyota tat einen Sprung nach vorn undbrauste los. Zwei kleine Jungen von etwa sieben Jahren, die im Hof mit einer Konservenbüchse Fußball gespielt hatten, konnten gerade noch zur Seite springen.
    Die Straße vor dem Haus war eine Einbahnstraße. Der Major rannte vom Hof, zog im Laufen seinen Dienstausweis heraus und stellte sich mitten auf die Fahrbahn, um ein Auto anzuhalten. Es fuhren nur ganz wenige Autos vorbei. In einer Minute würde der Toyota bei dieser Geschwindigkeit den breiten Prospekt erreicht haben. Der Major begriff selber nicht recht, warum er Grischetschkin unbedingt nachjagen wollte, der Dicke konnte sich sowieso nicht vor ihm verstecken. Aber er wollte ihn trotzdem erwischen. Allzu seltsam hatte Grischetschkin sich benommen – hatte Olga Guskowa besucht, war aber nur zehn Minuten bei ihr in der Wohnung gewesen. Vorher hatte er kein Wort über sie verloren, war nur abwechselnd blaß und rot geworden und hatte inständig darum gebeten, das Privatleben seines ermordeten Chefs nicht anzurühren. Eigentlich wollte der Major Grischetschkin gegenüber so tun, als sei es eine zufällige Begegnung, und ihn gleichsam beiläufig, etwas verwundert fragen – ach, Sie kennen also die heimliche Liebe von Gleb Konstantinowitsch? Das hätte ich nicht gedacht.
    Also gut, Grischetschkin kannte Olga Guskowa. Aber mußte er deswegen gleich Reißaus nehmen?
    Vor dem Major stoppte ein Mercedes der Verkehrspolizei. Kusmenko sprang rasch ins Auto. Der Toyota war bereits verschwunden, aber vielleicht konnte man ihn auf dem Prospekt noch einholen. Gut, daß er sich das Kennzeichen gemerkt hatte. Die Kollegen von der Verkehrspolizei gaben es zusammen mit der Beschreibung des Wagens und dem Namen des Halters sofort über Funk durch.
     
    Felix raste mit überhöhter Geschwindigkeit über den Prospekt, ohne sich um die Verkehrsregeln zu kümmern. DasHerz klopfte ihm bis zum Halse, der Schweiß lief ihm in die Augen.
    »Der Fahrer des blauen Toyota 349 MJu, bitte anhalten! Ich wiederhole, der Fahrer des blauen Toyota …«
    Autos flimmerten an ihm vorbei und zerflossen zu einem vielfarbigen Brei. Gleich mußte die Kreuzung kommen. Ja, da war sie schon. Aber die Ampel wechselte gerade auf Rot.
    Er mußte bremsen. Über die Kreuzung floß ein unendlicher Strom von Autos. Die Verkehrspolizei raste unter Sirenengeheul heran. Im Rückspiegel konnte er schon den Mercedes mit dem Blaulicht und das Gesicht des Fahrers sehen – und neben dem Fahrer Major Kusmenko.
    Zwischen den Autos auf der Kreuzung bildete sich eine kleine Lücke. Das schaffe ich noch, da schlüpfe ich durch, murmelte Felix und trat aufs Gas.
    Der Fahrer des riesigen Kühlwagens bemerkte den auf ihn zubrausenden blauen Toyota zu spät.
    »Verdammter Idiot!« fluchte er.
    Er hüpfte auf seinem hohen Sitz nur ein wenig in die Höhe, wurde zur Seite geschleudert und stieß mit dem Kopf gegen das Fenster. Zurück blieb eine kleine Beule.
     
    Felix spürte einen furchtbaren Schmerz, der sich in seinem ganzen Körper ausbreitete, in dem dicken, plumpen, von niemandem geliebten Körper, den er sein ganzes Leben lang gehaßt hatte. Weder im Kindergarten noch in der Schule hatte man ihn je bei seinem Namen gerufen. Immer hieß er nur

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