Club Kalaschnikow
vernickeltes, fast neues Teil.
Artjom sah plötzlich vor sich, wie der schlaue Penner um Mitternacht am Zaun herumgescharrt hatte und dann in das Spielzeughäuschen gekrochen war, um seinen kostbaren Fund vor dem gestrengen Auge seiner Lebensgefährtin Siwka zu verstecken. Während er im Häuschen beschäftigt war, hatte er zufällig aus dem kleinen runden Fenster geblickt. Ein hervorragender Ausguck. Nicht nur die Stelle unter den Akazien, wo der Killer stand, war gut zu sehen, sondern auch ein Stück des Hofes vor dem Hauseingang und der Hauseingang selbst. Artjom stellte sich das alles so lebhaft und deutlich vor, daß es ihn im Vorgefühl der tollen Exklusivstory schon in den Fingern juckte.
Er preßte das Gesicht an das runde Fensterchen, vergaß den Gestank und kümmerte sich auch nicht darum, daß er mit seinem neuen Wildlederschuh in einen Scheißhaufen trat, den jemand mitten in das Märchenhaus gesetzt hatte. Er sah, wie ein Auto vorfuhr. Der weiße Ford der Ballerina Orlowa.
Artjom schlüpfte rasch aus dem Häuschen und rannte mit drei großen Sätzen auf die Tänzerin zu.
»Jekaterina Filippowna! Keine Angst, das Mikrofon ist nicht eingeschaltet! Nur zwei Worte, für mich persönlich! Haben Sie schon jemanden im Verdacht?«
Die Orlowa blickte ihn mit ihren braunen Augen kalt an, ging ins Haus und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Das Sicherheitsschloß rastete klickend ein. Artjom blieb auf der Vortreppe zurück.
***
»Felix Eduardowitsch? Sie?«
»Ja, Olga, ich. Wundere dich nicht und laß mich bitte ein.«
Olga trat zurück und gab Grischetschkin den Weg frei. Er schloß rasch die Tür hinter sich.
»Olga, wer ist da gekommen?« hörte man aus dem Zimmer die Stimme von Iwetta Tichonowna. »Ist das für mich?«
»Nein, Oma, nicht für dich.«
Grischetschkin sah sich um. Mein Gott, was für eine Armut! Was für eine schreckliche, hoffnungslose Armut.
»Weshalb sind Sie gekommen?« fragte Olga, ohne ihn anzusehen.
»Ich muß mit dir reden.«
Olga führte ihn in die Küche und setzte sich schweigend auf den Hocker. Sie wollte jetzt eigentlich niemanden sehen, am allerwenigsten Felix Grischetschkin. Sie hatte nach dem Gespräch mit diesem höflichen Major für heute genug und wollte nur noch allein sein.
»Wie fühlst du dich?« Er berührte mit seinen molligen Fingern ihre Hand. Olga zog sie zurück, als hätte sie einen Stromschlag erhalten, und gab keine Antwort. Sie saß weiter schweigend da und starrte auf einen Punkt.
»Olga, wo ist die Pistole?« fragte Grischetschkin.
»In der Schublade«, erwiderte sie mechanisch.
»Gib sie mir bitte.«
»Wieso?«
»Wir müssen sie wegwerfen. Möglicherweise werden sie eine Hausdurchsuchung machen.«
»Wer, die Miliz? Die waren schon da.«
»Was? Wann?« fragte Grischetschkin entsetzt und merkte, wie sein Hemd unterm Jackett feucht wurde.
»Gerade eben.«
Er atmete auf. Eine Hausdurchsuchung hatte es also noch nicht gegeben.
»Olga, das ist sehr wichtig. Sag mir genau, wer da war, wie viele und worüber sie mit dir gesprochen haben.«
»Ein Major. Den Namen habe ich nicht behalten.«
»Kusmenko?«
»Ja, ich glaube.«
»War er allein?«
»Ja. Ich mußte etwas unterschreiben.« Sie reichte ihm die Vorladung.
»Das ist nichts Schlimmes, Olga. Du mußt jetzt ganz ruhig und gefaßt sein, mein Mädchen. Ich weiß, wie dir zumute ist, aber bleib ruhig. Und hör auf mich. Außer mir gibt es jetzt niemanden, der dir helfen kann. Verstehst du mich?«
»Ich brauche nichts.«
Sie konnte nur mit Mühe sprechen. Wenn er sie weniger gut gekannt hätte, hätte er gedacht, sie hätte Drogen genommen. Aber hier waren keine Drogen im Spiel, das Mädchen stand unter einem schweren Schock. Er bemühte sich, den richtigen Ton zu treffen, auf dieses Gespräch hatte er sich seit zwei Tagen vorbereitet. Zu lange vielleicht. Er mußte handeln, bevor es zu spät war.
»Hat man dich gefragt, wo du in jener Nacht warst?«
»Ja.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Ich habe gesagt, daß ich nach der Arbeit nach Hause gefahren bin.«
»Klug von dir«, sagte Grischetschkin und lächelte schwach.
Es war also noch nicht ganz so schlimm. Der Schock konnte so tief nicht sitzen, wenn sie noch begriff, daß sie nicht die Wahrheit sagen durfte. Alles ließ sich noch wiedergutmachen.
»Gehen Sie nach Hause, Felix Eduardowitsch. Ich will eine Weile allein sein.« Ihre Stimme klang jetzt etwas fester. »Morgen ist die Beerdigung, und ich muß vorbereitet
Weitere Kostenlose Bücher