Club Kalaschnikow
mal in die Kasse gegriffen. Ist erwischt worden und hat ihre Jährchen abgesessen, wie sich’s gehört. Und sie war doch mal ’n Klasseweib, hui …« Boris kniff verzückt die Augen zusammen und fing dann mit gefühlvollem Krächzen und Hauchen an zu singen: »Verga-angen sind die Ja-ahre, vorü-über und vorbei-hei …«
Diesmal war es Artjom, der die Geduld verlor. Er merkte langsam, daß der gewiefte Penner sie einseifen wollte. Besonders ärgerlich war, daß sie auf seine Bitte hin in den Nachbarhof gegangen waren und nun bestimmt die Orlowa verpassen würden.
Dieser widerliche Boris hatte ungeheuer geheimnisvoll getan und behauptet, der Killer oder seine Leute könnten gerade jetzt den Eingang beobachten und er, Boris, würde eine Menge riskieren, denn vielleicht hatte ja nicht nur er den Killer, sondern der Killer auch ihn bemerkt. Und jetzt sieht er plötzlich, wie Boris mit dem Fernsehen spricht, und ihm fällt wieder ein, der hat sich doch damals am Zaun herumgetrieben, und merkt, da steckt was dahinter.
»Igor, schalt die Kamera aus. Ich bin’s leid. Der lügt doch wie gedruckt«, sagte Artjom scharf, »er hat überhaupt niemanden hier gesehen. Der will uns übers Ohr hauen.«
»Was redet ihr da, Jungs!« empörte sich Boris. »Ich will doch bloß alles so genau wie möglich erzählen, in allen Einzelheiten, wie sich’s gehört!«
Igor verstaute die Kamera in ihrer Hülle und ging, ohne ein Wort zu sagen, zurück in den anderen Hof, wo sie das Auto geparkt hatten. Er war das alles gründlich leid, außerdem mußte er unbedingt sofort etwas Warmes essen und trinken. Sein Magen schmerzte unerträglich.
»Jungs, gebt mir doch wenigstens für’n Viertelliter!« jammerte Boris und versperrte Artjom, der wütend fluchte und hinter dem Kameramann her wollte, den Weg.
»Du wirst schon ohne auskommen müssen!« schnauzte Artjom ihn an. »Verschwinde!«
Angewidert schob er Boris beiseite und holte den Kameramann ein. Der Penner fluchte träge hinter ihnen her.
»Wenn ihr nicht wollt – dann eben nicht! Dann verscheuere ich diese heiße Story an jemand anders! Ich hab gesehen und ich kann ganz genau erzählen, wer diesen Pisser erledigt hat!«
»Heiße Story«, knurrte Igor, »heiße Luft ist das, sonst nichts. Ewig gerätst du an solche …«
»Wieso ich?! Was kann ich dafür?! Jeder kann mal Pech haben. Wenn wir jetzt auch noch die Orlowa verpassen …«
Artjom war genauso wütend wie Igor. Er hatte mittlerweile ebenfalls einen Bärenhunger. Nur gut, daß er so viel Grips gehabt hatte, diesem Schmarotzer nicht eine Kopeke im voraus zu geben.
»Was soll ich dir mitbringen?« fragte Igor.
»Ist mir egal.«
Igor gab ihm die Kamera und lief zum nächsten Kiosk. Artjom legte die Kamera ins Auto, wanderte dann langsam um den Kinderspielplatz herum und betrachtete aufmerksam den Zaun. Er wußte, der Schuß war aus dem Gebüsch gekommen. Ja, von hier aus konnte man den Hauseingang am besten sehen. Die Sträucher, die den Spielplatz in einem Halbkreis umgaben, waren nicht besonders dicht und hoch. Um gut versteckt zu sein, selbst bei Dunkelheit, mußte der Killer am Sandkasten hinter den beiden alten, breit ausladenden Akazien gestanden haben. Artjom stellte sich vor, wie der Unbekannte mit der Pistole hier nachts gewartet hatte. Hier hätte ihn kaum jemand sehen und erst recht nicht sein Gesicht in der Dunkelheit erkennen können. Die nächste Laterne hing über dem Hauseingang. Nein, das hatte sich Boris alles aus den Fingern gesogen.
Als er langsam den Kopf drehte, bemerkte Artjom in dem Spielzeughäuschen ein kleines schwarzes Fenster. Essaß ziemlich weit oben, gleich unter dem Dach, und blickte genau dorthin, wo Artjom jetzt stand und wo vor ein paar Tagen der unbekannte Killer auf Gleb Kalaschnikow gewartet hatte.
Unerträglicher Gestank schlug ihm entgegen, als er in das Häuschen schaute. Mit angewidert verzogenem Gesicht und zugehaltener Nase kroch er hinein. Ja, aus dem kleinen runden Fenster konnte man den Platz, wo der Killer gestanden haben mußte, ausgezeichnet überblicken. Die Silhouette und das Profil müßten auch im Dunkeln gut erkennbar gewesen sein.
Im Innern des Häuschens waren zwei Bretter an den Wänden befestigt, als niedrige Sitzbänke. Artjom kauerte sich hin und leuchtete, ohne recht zu wissen, warum, mit dem Feuerzeug unter die Bänke. In der Ecke unter der einen lag ein in Zeitungspapier gerolltes Bündel. Er wickelte es aus. Es war der Quirl, ein kleines,
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