Club Kalaschnikow
»Fettwanst«.
He, Fettwanst, hol mich ein! Schlag doch zurück! Fang mich, Fettwanst! Grischetschkin, was stehst du da wie der Ochs vorm Berge? Wenn du nicht das Seil raufkletterst, kriegst du eine Fünf in Sport … Er quält sich hoch bis zur Mitte, hängt dann schwer und lächerlich in der engen Turnhose und dem schweißnassen Hemd am Seil. Abfallende,formlose Schultern, ein schlaffer faltiger Bauch, kleine, runde, ewig erschrockene Augen.
Nichts außer dem Schmerz war geblieben. Er erfüllte die ganze Welt, hüllte ihn ein und zerquetschte ihn in seiner gigantischen Faust. Dann verschwand alles, sogar der Schmerz. Irgendwo in einer schweren, toten Ferne verhallte der durchdringende Lärm der Autos.
Die Männer des Rettungsdienstes mußten die plattgedrückte Karosserie des Toyota mit Schneidbrennern auseinandernehmen, um den Körper herauszuholen. Der Notarzt stellte den Tod fest. In der Aktentasche des Verunglückten wurde eine Pistole der Marke »Makarow« gefunden. Auf dem Griff war ein Stahlschildchen mit der Gravierung: »Für Hauptmann Nikolai Guskow von seinen Freunden und Regimentskameraden. Bezirk Fernost, 1979.«
***
»Wo treibt sich die hübsche junge Witwe eigentlich herum?«
Margarita küßte Katja auf die Wange. »Wir rackern uns hier ab, bereiten das Essen für die Beerdigung vor, und sie schwirrt in der Weltgeschichte herum. Übrigens siehst du fabelhaft aus. Sogar rote Bäckchen hast du bekommen.«
»Hör schon auf, Margarita.« Katja hängte ihren Mantel auf, streifte die Schuhe ab und schlüpfte in ihre Pantoffeln.
»Möchtest du etwas essen?« Shannotschka kam aus der Küche. »Ich hab mich schon wieder so über die Fernsehfritzen aufgeregt, furchtbar. Jetzt scheinen sie endlich weg zu sein. Sie haben sich ewig lange im Hof herumgedrückt und Boris gefilmt, stell dir vor.«
»Boris? Mülleimer-Boris?« fragte Katja erstaunt. »Wozu denn das? Übrigens sind sie noch nicht weg. Siwolap hat mir vorm Haus aufgelauert.«
»Was du nicht sagst!« Shannotschka schlug die Hände zusammen. »So ein Schwein!«
»Shannotschka, haben wir noch Kaffee?«
»Nur noch Pulverkaffee.«
»Ach, schade. Ich möchte so gern eine gute, starke Tasse Kaffee.«
»Ich gehe sofort los und kaufe welchen.« Shannotschka wusch sich die Hände und band sich die Schürze ab. »Ich muß sowieso zum Supermarkt, wir haben auch keine Mayonnaise mehr, und das Sonnenblumenöl ist fast alle.«
»Laß nur, ich gehe selber. In der Küche bin ich sowieso keine große Hilfe«, meinte Katja. »Margarita, ich hab ganz vergessen, mich bei dir zu bedanken. Ich bin so froh, daß du gekommen bist und daß du Konstantin Iwanowitsch zu Tante Nadja gebracht hast.«
»Ach, das geht schon in Ordnung.« Margarita runzelte die Stirn und winkte ab. »Ich habe einen freien Tag, die Dreharbeiten gehen erst heute abend weiter. Ich weiß ja, das Kochen ist nicht gerade deine Stärke. Und mir macht es Spaß, jedenfalls ab und zu, wenn ich in Stimmung bin. Morgen wird es hier von Leuten nur so wimmeln, und die wollen alle was zu essen haben.«
»Ja, es werden viele Leute kommen«, sagte Katja nachdenklich, »und es wird vielleicht auch viele Überraschungen geben.«
»Wie meinst du das?« Margarita zog verwundert die Brauen hoch.
»Na, alle möglichen alten Bekannten, und dann auch diese Frau, Olga. Sie wird bestimmt kommen. Und Glebs andere Schätzchen … Sag mal, erinnerst du dich zufällig noch an eine Sweta Petrowa?«
»Sweta Petrowa?« fragte Margarita zurück und kniff die Augen etwas zusammen. »Klingt sehr vertraut. Nein, ich erinnere mich nicht. Das ist so ein Durchschnittsname, da klingt ja sogar Mascha Iwanowa interessanter. Als Schauspielerin müßte sie sich ein Pseudonym nehmen.«
»Ja, wahrscheinlich«, sagte Katja zerstreut und ging inden Flur. »Was soll ich noch mitbringen außer Kaffee und Mayonnaise?«
»Warte, ich schreib’s dir auf einen Zettel«, rief Shannotschka aus der Küche, »sonst vergißt du es. Hast du eigentlich keine Angst, daß Siwolap dir noch auflauert?«
»Angst? Zuviel der Ehre für einen albernen Skandalreporter!« sagte Katja lachend.
Als sie aus dem Haus trat, saßen Artjom und Igor auf der Bank. Auf einer Zeitung zwischen ihnen standen Pappteller mit Brathähnchen, aus Plastikbechern dampfte heißer Tee. Beide waren mit ihrer Mahlzeit so beschäftigt, daß sie Katja gar nicht bemerkten.
Offenbar haben diese Herrschaften beschlossen, hier auf Dauer ihre Zelte aufzuschlagen, dachte sie,
Weitere Kostenlose Bücher