Club Noir - 1
das? Was wollen Sie von mir?“
Die Frau verzog schmollend den Mund. Sie leerte ihr Glas mit einem Zug und schob es über die Thekenoberfläche von sich.
„Vielleicht wollte ich nur mit Ihnen plaudern.“
Beleidigt wandte sie sich ab und wollte gehen. Aus einem Impuls heraus sprang Jesse ihr jedoch hinterher und hielt sie am Arm zurück.
„Warten Sie! Es tut mir Leid. Das habe nicht so gemeint. Es ist nur …“
„Ach so.“ Die Rothaarige zog belustigt eine Augenbraue hoch. „Sie wissen noch nicht, wie das hier im Club läuft.“
Jesse starrte sie irritiert an. Sie verstand nicht, was in diesem Club wie laufen sollte. Erst als sie nun aufsah und etwas genauer durch den Innenraum spähte, bemerkte sie, dass sich die anwesenden Frauen ausnahmslos in knappe und sexy Outfits hüllten. Jede von ihnen zeigte mehr Haut als Jesse. Zwischen all den anderen musste sie wie eine verkalkte Gouvernante wirken.
„Eigentlich suche ich Andrew“, bemühte sie sich aus dieser unangenehmen Situation zu befreien. „Sie wissen nicht zufällig, wo ich ihn finde?“
„Doch.“ Die Rothaarige spielte erneut mit einer Haarsträhne. „Zufällig weiß ich das.“
Jesse starrte sie gebannt an. Warum verriet sie es ihr dann nicht auch, sondern amüsierte sich vielmehr bei diesem merkwürdigen Spiel, das sie trieb?
Sie lachte auf. „Kommen Sie.“ Geschwind fasste sie Jesse bei der Hand und zog sie mitten durch den Raum, so dass viele der Gäste auf die beiden Frauen aufmerksam wurden und ihnen nachschauten. Sie kamen in den Gang, den Jesse bereits an der Seite von Louis durchschritten hatte. Bei dem Gedanken daran durchfuhr sie ein eiskalter Schauder. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend fragte sie sich, was sie hier eigentlich tat.
Dann ließ die Rothaarige mit einem Mal von ihr ab.
„Sehen Sie die Tür dort?“
„Mit dem goldenen Schild?“
„Genau.“
Sie schob Jesse in die Richtung und war selbst im Begriff, in einer anderen Seitentür zu verschwinden.
„Aber da steht ‚privat’.“
„Ich dachte, Sie suchen nach Andrew.“
Jesse nickte.
„Dann werden Sie ihn dort finden.“
Mit diesen Worten schlüpfte die Rothaarige in einen Raum, aus dem sanfte Musikklänge und der Duft von Lavendel auf den Flur drangen. Kurz erklang ein belustigtes Lachen. Dann wurde es still um Jesse. Das Treiben der Clubgäste schien meilenweit von ihr entfernt.
Nur zaghaft setzte sie einen Fuß vor den anderen. Unschlüssig blieb sie vor der Tür stehen. Woher sollte sie wissen, ob Andrew tatsächlich dahinter auf sie wartete? Es wäre ganz bestimmt klüger, wenn sie jetzt ging. Sie drehte sich halb herum und starrte in den Flur. Fußboden und Wände waren mit einem dunklen Rot verkleidet. Von der Decke hingen kleine kugelförmige Leuchten, die nur einen schwachen Lichtschein boten.
Sie gab sich einen Ruck. Ohne weiter darüber nachzudenken, klopfte sie an die Tür.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, da erklang von drinnen auch schon eine unfreundliche Stimme, die Jesse zusammenfahren ließ.
„Herein!“
Nun gab es kein Zurück mehr. Sie konnte nicht fassen, wie sehr sie mit einem Mal zu zittern begann. Aber sie wollte mutig sein, drückte die Klinke hinunter und trat ein.
Da saß er – in einem hohen Sessel – die Arme gebieterisch auf den Lehnen ruhend. Er wirkte anmutig wie eine Statue.
Um ihn herum standen vier weitere Männer. Sie konnten ihre Neugier, was diesen unverhofften Besuch anging, kaum verbergen. Was Jesse jedoch am meisten schockierte, war die Frau, die Andrew zugewandt am Schreibtisch lehnte. Sie trug ein durchsichtiges weißes Spitzenhemd. Ihre schlanken Beine steckten in einer Netzstrumpfhose und mit einem Fuß fuhr sie gerade genüsslich über Andrews Oberschenkel. An dem Verschluss seiner Hose verharrte sie sekundenlang, bevor sie sich provozierend zu Jesse umwandte.
Andrew schob den Fuß beiseite und erhob sich. Er ignorierte die dreisten Annäherungsversuche des leicht bekleideten Mädchens.
Nun wandte er sich eindeutig an Jesse. Sie erschauderte bei dem Anblick, den er ihr bot.
„Warum hast du mich hier aufgesucht?“ Wut sprach deutlich aus seinen dunklen Augen. Er funkelte sie wild an. Die Sanftmut und Zärtlichkeit, die sie in der letzten Nacht durch ihn erfahren hatte, existierten nicht mehr. Es versetzte ihr einen Stich direkt ins Herz. Sie spürte, wie es ihren Körper eiskalt durchfuhr und ihr die Kehle zuschnürte. Ängstlich wich sie zurück.
„Ich dachte nur …“
Ja – was hatte
Weitere Kostenlose Bücher