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Club Noir - 1

Club Noir - 1

Titel: Club Noir - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilia Jones
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gar nicht aufgefallen.“
    „Sie interessieren sich also für ‚Den Knotenpunkt der Liebe’?“, lenkte sie das Gespräch in eine geschäftlichere Bahn.
    Der Mann nickte zustimmend. „Ja, ein wirklich interessanter Name für eine interessantes Bild. Ich habe schon viel über den Künstler gelesen.“
    „Tatsächlich?“ Das wunderte Jesse. Diese Ausstellung diente im Grunde dem Zweck, den Bekanntheitsgrad des Künstlers Joaquin Worthing außerhalb von London zu steigern. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihr Ziel so schnell zu erreichen.
    „Ja. Ich muss zugeben, ich fröne einer gewissen Sammelleidenschaft, was die Werke junger Künstler angeht. Erst vor kurzem bin ich in Paris gewesen und konnte zwei außergewöhnliche Bilder von Maxime Clereu erwerben.“
    Auch dieser Name war Jesse nicht unbekannt. Stilistisch verfügte die Künstlerin sogar über mehr Ausdruckskraft als Joaquin Worthing.
    „Es ist immer wieder schön, einem Kunstkenner wie Ihnen zu begegnen.“
    Der Mann fühlte sich geschmeichelt, was er auch vollkommen unverblümt zeigte.
    „Nun ja“, nahm er den Faden wieder auf, „dieses Gemälde wäre natürlich eine wahre Bereicherung für meine Sammlung.“
    „Ich verstehe.“ Jesse nickte ihm zu. Er forderte eine Entscheidung von ihr, um die sie mit sich selbst ringen musste.
    „Ich würde das Bild gerne an Sie verkaufen“, begann sie zögernd. „Bei Ihnen wäre es gut aufgehoben. Da bin ich mir sicher. Allerdings gibt es noch einen anderen Interessenten.“
    Entgegen Jesses Befürchtung reagierte der Mann jedoch in keiner Weise überrascht oder gar verärgert. Im Gegenteil. Er winkte sogar recht gelassen ab.
    „Ach, wissen Sie, das ist längst kein Grund, alle Hoffnung aufzugeben. Andere Interessenten sind für mich keine neue Herausforderung.“
    Er betrachtete die geschwungenen schwarzen Linien auf dem blauen Grund. In Gedanken zog er jede einzelne von ihnen nach, nur um sie sich einzuprägen.
    „Ich möchte ein Angebot abgeben“, sagte er schließlich mit fester Stimme, als wäre das Gemälde längst in seinen Besitz übergegangen. „Und Sie entscheiden am Ende, an wen Sie verkaufen.“
    Bereits in diesem Augenblick war Jesse klar, dass sein Angebot kaum zu überbieten sein würde. Er musste vermögend sein und daran gewöhnt alles zu bekommen, wonach ihm verlangte. Trotzdem lächelte sie ihm freundlich zu und vollführte eine angedeutete Verbeugung.
    „Natürlich. Folgen Sie mir doch bitte, um die Papiere auszufüllen.“
    „Mit dem größten Vergnügen.“ Er zwinkerte ihr zu.

Falsches Spiel
    Den Rest des Tages fiel es Jesse erheblich leichter, ihre Gedanken nicht abschweifen zu lassen. Sie ignorierte jeden noch so kleinen Funken, der ihre Sehnsucht nach Andrew erneut entfachen konnte. Die Verzweiflung der verlassenen Geliebten rückte in den Hintergrund. Stattdessen kümmerte sie sich wie nie zuvor um die Besucher der Galerie. Sie redete und informierte, gab Auskünfte und stellte sich jeglichen Fragen. So sehr vertiefte sie sich in ihre Arbeit, dass Madame Demier in begeistertes Staunen für ihre junge Kollegin ausbrach.
    „Meine Liebe“, sagte sie später am Tag, „ich weiß Ihren Einsatz wirklich zu schätzen, aber denken Sie nicht, dass wir allmählich Feierabend machen sollten? Ich würde die Galerie für heute gerne schließen.“ Mit Jacke und großem Hut auf dem Kopf stand sie vor Jesse. In der einen Hand hielt sie einen Regenschirm, den sie offensichtlich als Spazierstock benutzte, und in der anderen klimperte ihr enormer Schlüsselbund.
    Jesse musste sich eingestehen, dass sie bei den Bemühungen, ihre Gedanken im Zaum zu halten, sämtliches Zeitgefühl verloren hatte.
    Es dämmerte bereits, als sie die Galerie verließ. Sie ging die Treppenstufen zur Straße hinab und hielt – unten angekommen – kurz an, um ihre lange taillierte Lederjacke zuzuknöpfen.
    Madame Demier trippelte neben ihr, wartete allerdings nicht, sondern ging winkend weiter. „Bonsoir, Mademoiselle Brown. Bis morgen.“
    „Ja, bis morgen“, gab Jesse leise zur Antwort – eher sich selbst als Madame Demier. Denn diese verschwand so geschäftig, dass sie sie sowieso nicht mehr gehört hätte.
    Nun, da sie ganz alleine auf dem Bürgersteig stand und von der feuchten, kühlen Luft des Abends eingehüllt wurde, fühlte sie sich schrecklich verlassen. Sie kannte niemanden in dieser fremden Stadt. Zudem quälte sie die Frage, warum Andrew in der letzten Nacht gegangen war, ohne sich zuvor von ihr

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