Club Noir - 1
zu verabschieden.
Womöglich würde sie nur durch einen erneuten Besuch im „Club Noir“ eine Antwort darauf erhalten. Aber ebenso gut könnte sie sich lächerlich machen, wenn sie ihn dort zur Rede stellte. Sie schluckte einen dicken Kloß in ihrem Hals hinunter. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie ins Hotel gehen und gar nichts unternehmen sollte. Am Ende siegte allerdings ihr Verlangen, erfüllt von der Sehnsucht, Andrews Berührungen erneut auf ihrer Haut zu spüren.
Unschlüssig stand Jesse in der von bunten Lichtern erleuchteten Seitenstraße. Vor vielen Türen der Restaurants standen die Kellner und bemühten sich, Gäste anzulocken. Doch Jesse reagierte gar nicht auf deren aufdringliche Gesten. Sie hatte nur Augen für den im schwachem rötlichem Schein liegenden Eingang des „Club Noir“. In verschnörkelten Buchstaben thronte der Name am oberen Türrahmen. Sollte sie sich einen Ruck geben und erneut hineingehen? Aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, Andrew nicht zu finden – oder schlimmer noch – von ihm abgewiesen zu werden. Sie rang mit sich selbst und wollte schon wieder kehrtmachen, als die Tür knarrend aufschwang. Jesse versuchte ins Innere zu spähen, erkannte jedoch nichts als Dunkelheit darin.
Schließlich gab sie sich einen Ruck. Was sollte auch passieren? Sie würde hineingehen, einen Drink nehmen und wenn sie genügend Mut aufbrachte, nach Andrew suchen. Dieser aufdringliche Louis würde sie doch bestimmt kein zweites Mal belästigen.
Alle Zweifel über Bord werfend, trat Jesse auf den Eingang zu. Er wirkte längst nicht so einladend oder anziehend wie bei ihrem ersten Besuch. Die schwach beleuchtete und verlassene Tür machte eher einen abweisenden Eindruck. Trotzdem schob sie sich durch den offenen Spalt hindurch und tauchte erneut in die mit Rauch geschwängerte Atmosphäre ein.
Die dröhnende Musik klang viel zu laut. Mit dumpfen Pochen schlug sie Jesse aufs Gemüt und vernebelte ihre Sinne. Frauen in aufreizenden Lack- und Lederkostümen drängten sich an ihr vorbei. Sie kicherten aufgeregt, bevor sie in einer Seitentür verschwanden. Ein hoch gewachsener, äußert attraktiver Mann war ihnen in einigem Abstand mit langsamen Schritten auf den Fersen. Er blieb stehen und musterte Jesse eingehend, bevor er den Frauen durch die Tür folgte.
Das Dröhnen setzte plötzlich aus. Stattdessen spielte nun eine sanfte, helle Musik auf.
Ganz wohl war Jesse nicht, doch sie bahnte sich tapfer ihren Weg durch den belebten Innenraum, stets nach Andrew Ausschau haltend.
Der langhaarige Barkeeper erkannte sie sofort wieder. Er trug eine goldene Weste, die mehr von seinem durchtrainierten Oberkörper zeigte, als sie verdeckte. Einem heißblütigen Verführer gleich lehnte er sich über den Tresen in ihre Richtung vor.
„Hübsche Lady.“ Er zwinkerte genau wie bei ihrem ersten Besuch. „Wieder ganz allein hier?“
Sie ignorierte die Frage. Nachdem sie sich noch einmal kurz umgesehen hatte, beugte auch sie sich näher zu ihm. „Können Sie mir sagen, wo ich Andrew finde?“
„Andrew?“ Angewidert verzog er das Gesicht, um gleich darauf mit dem Kopf zu schütteln. „Nein, heute Abend habe ich ihn noch nicht gesehen. Tut mir wirklich sehr Leid.“
Aus irgendeinem Grund glaubte sie nicht, dass er die Wahrheit sagte. Sie betrachtete ihn kritisch, beschloss allerdings, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
„Einen Martini, bitte“, sagte sie.
„Sofort.“ Und tatsächlich stand das Getränk im selben Augenblick vor ihrer Nase.
„A votre santé!“ Eine aufreizend gekleidete Rothaarige stieß unverhofft mit ihr an. Sie lehnte sich seitlich auf die Theke. Ihre Augen blitzten auf. Um den Zeigefinger ihrer einen Hand wickelte sie eine Strähne ihres lockigen Haares. Mit der anderen hielt sie das Glas an ihren grinsenden Mund.
„Ich habe Sie hier doch schon mal gesehen.“
Jesse versteifte sich. Am liebsten hätte sie diese aufdringliche Person einfach ignoriert.
„Ja. Gestern“, sagte sie stattdessen, ohne die Frau anzusehen.
„Hmmm …“, machte die und genehmigte sich einen weiteren Schluck ihres Getränks. Voller Genuss fuhr sie dann mit der Zungenspitze über ihre feuchten Lippen. Neckisch reckte sie sich Jesse entgegen.
„Aber gestern sind Sie nicht alleine gewesen.“
Jesse zuckte entgeistert zurück. Jetzt hatte die Rothaarige doch ihren Blick auf sich gezogen. Sie lächelte äußerst selbstgefällig.
„Und er hat Sie sogar nach Hause gebracht.“
„Was soll
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