Club Noir - 1
gefährden. Er musste sie nach Hause schicken, aber er durfte dabei nicht zu forsch vorgehen.
„Miss Brown, ich weiß Ihren Einsatz wirklich zu schätzen.“ Er war bemüht, ihr zu schmeicheln. „Aber im Moment gibt es hier nichts zu tun. Die Geschäfte mit Brüssel sind abgewickelt. Ich kann Ihnen für diesen Erfolg gar nicht genug danken. Am Telefon war ich vielleicht etwas voreilig, als ich sagte, Sie sollten sich so schnell wie möglich wieder bei mir melden. Eigentlich ist es viel eher so, dass es noch etwas dauern wird, ehe die Formalitäten für neue Projekte abgeschlossen sind. Deshalb habe ich mit dem Gedanken gespielt, Ihnen einige Tage frei zu geben.“
Jesse starrte ihn verwirrt an. Ihr wurde bewusst, dass er den eigentlichen Grund für ihren Besuch gar nicht kannte. Er musste sie für vollkommen arbeitswütig halten. Dabei hatten sie die starken Gefühle und die Sehnsucht nach Andrew in die Galerie getrieben. Sie musste unvermittelt schmunzeln. Es wäre ihr nur recht, einige Tage frei zu bekommen.
„Sie sind sehr aufmerksam.“ Lächelnd betrachtete sie ihren Arbeitgeber. Die gewöhnlich eher strenge Miene war aus seinem Gesicht verschwunden. „Ich nehme Ihr Angebot gerne an.“
„Das freut mich.“ Erleichtert atmete er auf. Er konnte es wirklich nicht verantworten, dass sie ihre Gesundheit weiterhin so sehr strapazierte. „Soll ich Ihnen ein Taxi rufen, das Sie nach Hause bringt?“
„Nein, das ist nicht nötig.“ Sie winkte ab. „Aber Sie könnten mir einen anderen Gefallen tun.“
Mr. Lowman hob interessiert eine Augenbraue.
„Vielleicht könnten Sie mir verraten, wie ich Mr. McCloud erreichen kann? Wir wollten uns treffen und einige Dinge besprechen, aber leider weiß ich nicht, wie ich ihn hier in London erreichen kann.“
„Oh.“ Er rieb sich nervös mit einer Hand an der Schläfe. Wie gerne hätte er ihr den Gefallen getan, ihr wenigstens in dieser Weise geholfen. „Es tut mir wirklich Leid, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie Sie Mr. McCloud erreichen können.“
Jesse stutzte. „Aber ich dachte, er hätte sich wegen der Geschäfte mit Ihnen in Verbindung gesetzt.“
„Nun ja, das ist richtig. Er hat sich einmal telefonisch bei uns gemeldet und gestern Abend ist er sogar hier gewesen, um alles abzuschließen. Allerdings hat er mir nur eine Kontakt-Adresse in Brüssel dagelassen.“
„Verstehe.“ Jesse fühlte sich elend. Ihre Kraft reichte kaum noch aus, um sich auf den Beinen zu halten. Vollkommen umsonst hatte sie sich auf den Weg in die Galerie gemacht. Ebenso gut hätte sie zu Hause im Bett bleiben können! Sie fluchte innerlich.
„Trotzdem danke“, fügte sie knapp hinzu.
„Ich wünschte, ich könnte mehr für Sie tun.“ In seinem Blick lag ehrliches Bedauern. Jesse schenkte ihm ein weiteres Lächeln, um ihn zu beruhigen.
„Sie versprechen mir doch, dass Sie auf sich Acht geben?“
„Ja.“ Sie nickte. „Ich gehe jetzt gleich wieder in meine Wohnung und werde mir eine ordentliche Auszeit genehmigen.“
Tatsächlich fühlte sich Jesse nicht mehr in der Lage, den Weg zu ihrer Wohnung zu bewältigen. Ihr Herz und ihre Seele begehrten in qualvoller Weise auf. Dazu gesellte sich nun auch noch ein merkwürdiges Rauschen in ihren Ohren. Ein verlockendes Geräusch, doch sie wusste es nicht einzuordnen.
Nach wie vor empfand sie die Sonne grell und bedrohlich. Sie fühlte sich unwohl dabei, alleine im Freien durch die Straßen zu gehen.
Mühsam schleppte sie sich voran. Als sie das Café „Melinda“ sah, machte ihr Herz einen Satz. Dies war ein Ort, an dem sie sich bisher immer wohl gefühlt hatte. Ein Unterschlupf. Sie ging hinein, steuerte jedoch nicht auf ihren üblichen Fensterplatz, sondern auf eine dunklere Ecke zu.
Die Bedienung kam sogleich zu ihr. Sie strahlte Freundlichkeit und Wärme aus. Jesse kannte die Frau seit Jahren.
„Wie immer? Eine heiße Schokolade?“, fragte diese.
„Gerne.“ Jesse hatte nicht geahnt, wie schwer es ihr fallen würde, sich ein Lächeln abzuringen. Doch es gelang ihr. Sie plauderte kurz mit der Frau, erzählte ihr von ihrer Krankheit.
Als die heiße Schokolade schließlich vor ihrer Nase stand, wollte Jesse den süßen Geruch aufnehmen. Sie lehnte sich über die Tasse und sog an dem Duft. Entsetzt stellte sie fest, dass eine neuerliche Übelkeit in ihr emporstieg. Verkrampft rutschte sie in ihrem Sitz zurück. Sie liebte dieses Getränk. Nichts konnte ihr bisher den Genuss daran verderben. Also nahm sie nochmals
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