Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
können. Nach uns waren noch drei einzelne Gäste gekommen, die sich alle alleine an einen Tisch setzten. Zwei von ihnen hatten schnell gegessen und waren schon wieder fort. Der dritte Gast, eine Frau um die 40 mit blondierten Haaren, Wespentaille und weißem Leinenanzug, saß zwei Tische entfernt von uns und schaute in Richtung Strand. Neben ihr lag ein Smartphone, auf das sie immer wieder schaute. Unsere beiden amerikanischen Mitreisenden aus dem Jeep waren nicht gekommen.
Wir genossen ein leckeres Schoko-Mango-Mousse, warteten auf den Espresso, und ließen uns Zeit.
„ Rana, du schuldest mir noch was.“
Rana sah mich fragend an. „Wie jetzt? Die 12.50 vom Flughafen? Dann musst du aber 1.75 abziehen für das Wasser, das ich bezahlt habe.“
„ Nein, das meine ich doch nicht. Du hast mir versprochen, alles zu erzählen, was ich wissen will. Ausbildung, Geschwister und so weiter, du weißt schon.“
„ Ach ja, stimmt. Also: 1988, BA FU, 1,5, 2, led., 8, schwimmen, keine.“
„ Hä?“
„ Das waren die Antworten auf deine Fragen. Und jetzt zu dir.“
„ Aber ich kann mich an die Fragen gar nicht mehr erinnern. Kannst du es nicht nochmal langsam der Reihe nach durchgehen?“
Rana schüttelte bedauernd den Kopf. Ich seufzte.
„ Sagst du mir wenigsten, welche Zahl die Antwort auf die Frage nach den Beziehungen war? 1,5, 2, 8, oder 1988?“
„ Wie viele hattest du denn?“
„ Also eine Freundin in der Schule, Dauer 3 Monate, eine während des Studiums, das hielt fast das ganze Studium an, ja, okay, ich habe im 3. Semester abgebrochen, und dann so ein paar kurze Affären, okay, one-night-stands. Ich bin nicht so der Beziehungstyp, glaube ich. Und deine 1,5, 2, 8 oder 1988 Beziehungen, waren die alle mit Frauen?“
Rana rollte die Augen. „Wenn ich Alexander nicht mitzähle, da war ich 16, dann ja. Warum? Macht das einen Unterschied?“
„ Unterschied? Wie meinst du das?“
„ Na ja, warum interessiert dich das? Wir können doch trotzdem eine schöne Zeit miteinander verbringen, oder willst du was von mir?“
„ Nein, nein. Ich will nichts von dir. Wie kommst du denn da drauf?“ Beschämt senkte ich die Augen. Wie kam sie denn bloß da drauf?
Gott sei Dank kam in diesem Moment die Frau mit dem weißen Leinenanzug an unserem Tisch vorbei und blieb vor uns stehen.
„ Welcome. Your first night?“
Ich nickte eifrig.
„ It’s a great place. Unfortunately, this is my last night. So enjoy your stay!”
Sie ging lächelnd davon, während Rana und ich ihr mit offenem Mund nachstarrten. Das war ihre letzte Nacht? Wir schauten uns an.
Bevor sie den Eingang erreichte, rief ich ihr hinterher:
„ Don’t you want to have a Trink with us? We could go to the bar down at the Strand?”
Die Frau blieb stehen, sah uns prüfend an, und begann zu lachen.
„ That’s a good one! I’ll never have another drink in my life! But thanks.“ Und dann war sie weg.
„ Hast du das gehört? Sie wird nie wieder was trinken, weil sie jetzt sterben wird. Und dabei hat sie gelacht. Das ist ja schrecklich. Ich kann doch jetzt nicht schlafen gehen, wenn ich weiß, dass im Zimmer nebenan jemand stirbt.“ Ich sah Rana hilfesuchend an.
„ Mein Gott, du hast ja ein Herz!“ Aber sie machte auch einen ziemlich betroffenen Eindruck. Schließlich sagte sie: „Aber deswegen sind doch alle hier. Wir können doch nicht anfangen, den Leuten hier das ausreden zu wollen. Das muss dir doch klar gewesen sein, als du dich hier eingebucht hast, dass die anderen Gäste über kurz oder lang alle über die Schippe springen würden.“
„ Ach, so genau habe ich mir das nicht überlegt. Es klang alles so schön. Luxusurlaub eben. Das war mir nicht so klar, dass Selbstmörder einem die Laune verderben. Irgendwie. Findest du nicht?“
„ Mattes, es ist ja schön, dass dir eingefallen ist, dass du doch nicht sterben willst. Aber mach dich doch nicht über Menschen lustig, die es ernst meinen! Du hast ja gar keine Ahnung, wie es anderen Leuten geht. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es in jeder Minute Tausende von Menschen gibt auf dieser Welt, denen der Boden unter den Füßen weggerissen wird? Die erfahren, dass ihr Kind bei einem Unfall gestorben ist. Die ihren Job verlieren und ihre Miete nicht mehr zahlen können. Die von ihrem Mann krankenhausreif geschlagen werden. Die hören müssen, dass sie krank sind und nicht mehr lange zu leben haben. Die ihre Familie nicht ernähren können und zusehen müssen, wie ihre
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