Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
bringen.
„ Warum hätte ich denn das tun sollen? Mir ein Ich anlernen, das nicht meinem wahren Wesen entspricht?“
„ Das ist die Frage! Wem hätte das Wahre Ich nicht gefallen?“
Aha! Jetzt war der Arzt da angelangt, wo jeder Therapeut hinwill: bei der Mutter. Denn darauf zielte doch wohl seine Frage, nahm ich an. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Mutter sich nicht über mein Wahres Ich gefreut hätte. Sie liebte mich doch, so wie ich war. Und ich hatte sie auch sehr geliebt, aber das würde ich jetzt nicht erzählen. Womöglich war Dr. Rosenblatt einer von denen, die glaubten, dass alle Probleme in der Welt davon herrühren, dass kleine Jungs ihre Mütter heiraten und ihre Väter beseitigen wollen.
„ Meinem Vater hätte es nicht gefallen!““
Dr. Rosenblatt nickte, als hätte er das schon immer gewusst.
Beim Rausgehen traf ich auf Devi, die anscheinend auf ihren Termin wartete. Ob sie Dr. Rosenblatt von mir erzählen würde? Und ob er so tun würde, als sei ihm das ganz neu? „Sehen wir uns später?“ fragte ich. Sie nickte und versprach, nachher auf mein Zimmer zu kommen.
Das gab mir noch Zeit, ein paar Bahnen im Pool zu drehen, wo das Wasser glücklicherweise sehr viel wärmer war als im Eisbecken der Sauna. Als Devi schließlich klopfte, lag ich erfrischt und eingecremt im Bademantel auf dem Bett. Vorsorglich hatte ich die Terrassentür abgeschlossen und die Vorhänge zugezogen.
„ Wieso bist du denn gestern Nacht gegangen? Ich habe dich vermisst, als ich aufgewacht bin“, warf ich ihr vor.
„ Ach weißt du, ich brauche meinen Raum, meine Rückzugsmöglichkeit. Das alles ist nicht so leicht, wie es scheint“, erklärte sie.
„ Ja, aber es machte gar nicht den Anschein, als ob dir etwas schwer fiel gestern. Bist du sicher, dass du Phobien hast und dich nicht unter Leute traust?“
„ Mattes, du bist sehr lieb, aber du kennst mich gar nicht. Du weißt nicht, wie viel Überwindung es mich kostet, ganz einfache Dinge zu tun. Aber du hast recht, gestern fiel mir alles sehr leicht, mit dir fiel es mir sehr leicht!“
„ Bleibst du?“
„ Ja, ich bleibe!“ Sie kam zu mir ins Bett. Eigentlich hatte ich ja wissen wollen, ob sie zurück nach Deutschland fliegen würde oder nicht, aber das konnte ich auch später noch erfahren. So war es auch gut!
Kapitel 23
Mittags bestellten wir einen Salat aufs Zimmer und frisches Obst. Mit dem Tablett legten wir uns auf mein riesengroßes Bett, ließen es uns schmecken und genossen die frische Brise vom Deckenventilator.
Ich berichtete ihr von meiner Sitzung mit Dr. Rosenblatt und dass ich mich fragte, ob ich wirklich, um meinem Vater zu gefallen, einen Teil meiner Persönlichkeit verbogen hatte.
Devi hielt das für sehr wohl möglich. „Wir verbiegen uns doch andauern. Oft merken wir es gar nicht mehr. Höchstens daran, dass wir uns schlecht fühlen.“
„ Im Moment fühle ich mich aber überhaupt nicht schlecht. Heißt das, ich verbiege mich gerade nicht?“
„ Hm, lass mal sehen.“ Devi hob meine Beine und Arme an und ließ sie wieder fallen. „Alles ziemlich im Lot. Ich glaube, du bist der wahre Mattes!“
Wir hatten unser Obst mittlerweile aufgegessen und ich stand auf, um die im kleinen Vorraum stehende tolle Kaffeemaschine, die auch George Clooney gefallen hätte, in Gang zu setzen.
„ Willst du French Vanilla oder Hazelnut?“
„ Gibt’s keinen richtigen Espresso? Dann Breakfast Coffee.“
„ Was ist mit dir? Hast du deine wahre Persönlichkeit schon gefunden?“
„ Ja, aber leider ist sie so sauer auf mich, dass sie überhaupt nichts mit mir zu tun haben will. Das ist ja gerade das Dilemma.“
Ich suchte in Devis Augen nach einem Hinweis, ob das jetzt ein Witz war oder nicht. Sie zuckte die Schultern und erklärte.
Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie sich stets angestrengt, um die Erwartungen von Anderen zu erfüllen. Immer wieder musste sie sich beweisen, und wenn sie dann etwas erreicht hatte, empfand sie so einen Widerwillen gegen sich selbst, dass sie auf der Höhe des Erfolgs aufhörte und etwas Neues begann.
„ Dann hast du dich über deine Olympia-Medaille und über deinen Jugend-Musiziert-Preis gar nicht gefreut?“
„ Im Gegenteil. Ich kam mir vor, als ob ich mich selbst verraten hätte. Und wenn dann Andere sagten, ‚Ich bin ja so stolz auf dich‘, hat mich das nur noch wütender gemacht. Weil sie gar nicht mich meinten. Verstehst du?“
Ich konnte das nicht wirklich nachvollziehen.
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