Club Suizid: Ein lustiger Roman über ein weniger lustiges Thema (German Edition)
Wenn ich als Kind etwas erreicht hatte, dann war ich stolz wie Oskar und kam mir riesig vor. Deshalb wich ich aus und sagte: „Dann bin ich ja froh, dass ich dir noch nicht gesagt habe, wie beeindruckend du bist.“
„ Ja, sag das lieber nicht. Wenn du meine Leistungen komplimentierst, dann bin ich wütend, weil du das kleine Mädchen in mir übersehen hast, und wenn du versuchst, an mein Innerstes heranzukommen, dann verachte ich dich, weil du mit jemandem so doofen wie mir befreundet sein willst.“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Danke, dass du mich gewarnt hast. Dann sage ich gar nichts über dich, und rede nur noch von deinem wunderschönen Körper!“
Devi schlug mir auf die Hand, die ich gerade nach ihr ausstreckte. „Spinnst du, das ist ja das Allerschlimmste!“ Aber da sie dabei lachte, ließ ich mir noch ein paar verrückte Komplimente einfallen. Es war schön, Devi lachen zu sehen.
„ Ich bin jetzt aber schon neugierig, was für eine Art Beziehungen du gehabt hast in deinem Leben? Gab es jemanden, der es geschafft hat, dass du dich gut fühlst? Oder ist immer gleich Schluss, wenn jemand anfängt, für dich etwas zu empfinden?“
„ So ungefähr.“ Devi erzählte mir von vergangenen Affären, darunter Leute, deren Namen ich schon mal gehört hatte. Dabei war es nicht die Berühmtheit, die sie faszinierte. Sie suchte das Besondere im Menschen, Genialität, der an Wahnsinn grenzte. Dann konnte sie sich verlieben. Öffentlich hatte sie sich nie mit ihren jeweiligen Geliebten gezeigt. Gerade das reizte sie: im Hintergrund zu bleiben, Informationen zu erfahren, für die ihre Zeitschrift Unsummen ausgegeben hätte, und diese dann für sich zu behalten. Eine Intimität zu schaffen, die einmalig war. Die niemals in eine normale Beziehung gepasst hätte.
Langsam wurde mir etwas mulmig zumute. Was wollte diese Frau, die sich nur für die künstlerische und geistige Elite interessierte, mit mir?
„ Also mein IQ liegt zwar unter 130, und ich habe auch sonst die menschliche Gesellschaft noch nicht wirklich voranbringen können, aber ich bin dafür trotzdem ziemlich selbstinvolviert. Da stehe ich dem größten Genie in nichts nach!“
Devi sah mich nachdenklich an. „Vielleicht bist du ja doch eins? Was du da gerade geschlussfolgert hast, ist auf jeden Fall genial!“
„ Ja? Was genau habe ich denn gesagt?“
„ Na, du hast gerade herausgefunden, warum ich mich immer an Menschen halte, die sich über das Normale erheben: weil die so mit sich beschäftigt sind, dass es ihnen egal ist, wer ich bin.“
„ Also statt verkannt zu werden, oder auch erkannt zu werden, möchtest du am liebsten gar nicht richtig beachtet werden? Das ist aber doch traurig, oder? Kann denn so eine Beziehung funktionieren?“
Devi schüttelte den Kopf, und dann erzählte sie mir von Tom Watson. Watson war ein genialer Musiker, der unzählige Grammys und Preise bekommen hatte. „Das war meine längste Beziehung, sie hat fast fünf Jahre gedauert. Aber Tom war in menschlichen Beziehungen ein Analphabet. Ich habe ihn begleitet, unterstützt, vielleicht auch inspiriert. Aber man kann nicht erwarten, dass so ein Mensch Rücksicht nimmt oder sich mit Alltag beschäftigt.“
„ Das hört sich aber nicht nach Genie an, sondern eher nach Soziopath. Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du dir absichtlich die Soziopathen ausgesucht hast?“
„ Kann schon sein. Vielleicht habe ich das auch gewusst, jedenfalls habe ich mich dann getrennt am Ende. Ich war schwanger, das Baby habe ich abgetrieben.“
Das tat mir leid. Offensichtlich war Devi danach kinderlos geblieben. Vielleicht hätte ihr ein Kind gut getan. Aber ich traute mich nicht, etwas zu sagen, weil sie wohl bereits bereute, das Baby überhaupt erwähnt zu haben. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und wechselte das Thema.
„ Ich wünschte, ich hätte Dr. Rosenblatt vor zehn Jahren getroffen. Er hätte mir vielleicht helfen können.“
„ Wieso? Es ist doch noch nicht zu spät. Ich gehe auch gerne zu ihm. Weißt du, was er vorhin gesagt hat, als ich ihm von unserem Abend erzählt habe? Er hat sich gefreut und gesagt, ich solle das Leben genießen!“
„ Ja, tu das! Das Leben hat so viel zu bieten!“
Tatsächlich hatte das Leben so viel mehr zu bieten, als ich mir bisher vorgestellt hatte. Das Zusammensein mit Devi brachte in mir Gefühle in Schwingung, von denen ich nichts geahnt hatte. Es war toll, sich mit ihr zu unterhalten, es war
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