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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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gewisse Reputation in ihrem mittelständischen Umfeld beschert. Dementsprechend
     blieb Herr Ungerer nicht nur von den Tobsuchtsanfällen des »Alten« verschont, er konnte den alten Herrn hier und da sogar
     zu punktueller Milde »verleiten«. Im Laufe der Jahre wurde es sogar üblich, dass Lehrkräfte, die vom Rektor irgendwelche Sonderkonditionen
     erwirken wollten, sich erst an Herrn Ungerer um Rat wandten und oft sogar um seine Vermittlung baten.
    |361| Eines Tages passierte es: Der Rektor, wieder einmal außer sich vor Wut über einen eher peripheren Vorfall, kippte plötzlich
     um, erlitt einen Schlaganfall und war von dieser Zeit an bettlägerig. Zuerst wagte niemand anzunehmen, dass der »Alte« nun
     für immer »erledigt« sei. Sein Amt versah zunächst seine Stellvertreterin kommissarisch. Als im Verlauf eines Jahres immer
     deutlicher wurde, dass ein neuer Schulleiter bestellt werden musste, waren alle Kollegen einer Meinung, dass nämlich Robert
     Ungerer für das Amt des Schulleiters der Geeignetste sei. Dieser war nun ganz gerührt ob dieses Votums, beriet sich aber zunächst
     mit der kommissarischen Schulleiterin; ihm schien es nämlich, dass zuerst sie an der Reihe wäre. Die Kollegin bedeutete ihm
     aber in aller Klarheit, dass sie derzeit auf gar keinen Fall die Position der Schulleiterin anstrebe. »Ich habe das schon
     jetzt gemerkt, die Schulleitung ist mir einfach zu aufreibend. Meine Kinder sind noch zu klein, sie brauchen mich noch mehr,
     als ich dachte« usw. Also bewarb sich Robert Ungerer um die Leitung der Schule, wurde aufgrund seiner bisherigen vorzüglichen
     Beurteilungen auch von der Schulaufsichtsbehörde als Schulleiter willkommen geheißen – und trat sein Amt an.
    Die Schule wandelte sich fast von einem Tag auf den anderen zu einem Ort lebendigen Lernens. Die Schüler hüpften vergnügt
     auf den Gängen und im Pausenhof herum, und die Lehrkräfte blühten mit ihren Klassen regelrecht auf. Auch Robert Ungerer war
     über diese Entwicklung mehr als glücklich. Auf seine Anregung fanden jetzt häufiger außerschulische Aktivitäten des Kollegiums
     statt, wie etwa gemeinsame Ausflüge. Im Zuge der allgemeinen Lockerung begannen sich nun auch alle zu duzen.
    Eines Tages fiel Robert Ungerer auf, dass eine Gruppe von vier befreundeten Lehrerinnen häufig zu spät kam, einfach Randstunden
     ausfallen ließ, ohne mit ihm Rücksprache zu nehmen, und sich auch sonst allerlei Nachlässigkeiten erlaubte. Er beschloss zunächst,
     die Dinge weiter zu beobachten. Als eine dieser Kolleginnen mit dem Hinweis: »Hier ist jetzt Gott sei Dank alles so locker«,
     auch noch eine dreiwöchige Verlängerung ihrer großen Ferien beantragte, um ihren Mann, der gerade in Kenia als Ingenieur tätig
     war, zu besuchen, blieb Robert Ungerer der Mund offen stehen. Dann platzte es aus ihm heraus: »Was denkst du, was denkt ihr
     euch überhaupt? Meint ihr denn, ihr könnt euch alles rausnehmen, bloß weil ich jetzt die Leitung der Schule übernommen habe?«
     Er atmete schwer und hielt sich mit beiden Händen am Schreibtisch fest. Die Lehrerin sah ihn fassungslos an, murmelte noch
     irgendetwas von, »also wenn das so |362| ist, Herr Ungerer«, rannte zur Tür und warf sie laut ins Schloss. Robert Ungerer blieb alleine zurück und sah wie versteinert
     vor sich hin.
     
    Fragen:
Vergleichen Sie die Situation mit dem alten Schulleiter mit der des neuen!
Wie lässt sich der Vorfall mit der Lehrkraft erklären?
Wie würden Sie Herrn Ungerer beraten? Entwerfen Sie ein Beratungsdesign!
    2.2 Fallstudie: Frau Englert
    In der Verwaltungsabteilung einer Industrie- und Handelskammer war es Usus, alle anfallenden Arbeiten immer sofort zu erledigen.
     Die Abteilungsleiterin bestimmte resolut die Normen der Abteilung. Einige der vorgesetzten »Herren«, für die eine Vielzahl
     von Briefen, Tischvorlagen usw. auszufertigen waren, erteilten allerdings ihre Aufträge häufig erst in letzter Minute, um
     dann aber auf einer sofortigen Erledigung zu bestehen. Die kinderlose Büroleiterin bezog aus der perfekten Erledigung gerade
     dieser Aufträge eine besondere persönliche Befriedigung.
    Nun hatte sich eine ihrer halbtags angestellten Mitarbeiterinnen, Frau Englert, nach jahrelangen Problemen mit ihrem schwer
     alkoholkranken Mann von diesem getrennt. Das hatte aber zur Folge, dass nun Frau Englert jeweils pünktlich um 12 Uhr ihren
     Sohn vom Kindergarten abholen musste. Die Aufgabe hatte früher ihr Mann übernommen,

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