Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
schleichende Vorbereitung auf Krisen; denn ein minimales Ereignis kann unter Stress als Krise erlebt werden (
Ulich
1987) und sich sogar zu Burnout-Phänomenen auswachsen (
Fengler
1992). Dabei bleibt allerdings zu fragen, auf welcher Basis sich schleichende Krisen wie Stress, Burnout oder gar Mobbing
überhaupt bilden. Hier spielen oft schon im Vorfeld berufliche Deformationen eine Rolle, die als berufliche Sozialisation
von den Betreffenden als selbstverständlich erlebt, meist lange nicht bemerkt werden und erst langsam ihre pathogene Wirkung
entfalten. Neben akuten Krisen können dann auch solche Erscheinungen Anlass für Coaching sein.
Akute Krisen im Beruf
Bei akuten beruflichen Krisen bleibt oft fraglich, welche Ursache sie haben. Dementsprechend tobt auch in der psychologischen
Fachliteratur ein Kampf, ob berufliche Krisen von Einzelnen durch psychische, durch situative Faktoren oder durch ihre Verbindung
verursacht sind (
Lazarus
1991;
Brief
1991 u. a.). Wenn man bei der Analyse von Krisen Systembetrachtungen einbezieht, leuchtet sofort ein, dass krisenhafte Erscheinungen
Einzelner auch durch organisatorische oder gar politische Bedingungen |78| entstehen können. Oder anders gesagt, im Einzelfall lassen sich berufliche Krisen auf je unterschiedliche Faktoren zurückführen.
Krisen aufgrund persönlicher Faktoren
Im Prinzip lässt sich behaupten, dass jedes persönliche Krisenereignis auch Konsequenzen für den Arbeitsplatz mit sich bringt.
Der überraschende Tod eines Familienangehörigen, Verlassenwerden durch Partner usw. sind Ereignisse, die das gesamte Weltverständnis
eines Menschen erschüttern können. Dann erhalten auch berufliche Zusammenhänge oft eine völlig neue Bedeutung. Nicht selten
ergibt sich eine Verlagerung der gesamten persönlichen Werteskala, d. h. eine Neugewichtung von »Säulen der Identität« eines
Menschen (
Petzold
1993). »Strategiespiele« in der Vorstandsetage, die noch einige Tage vorher »erfrischend und belebend« wirkten, entlarven
sich für die Betreffenden vielleicht plötzlich als »alberne Schönheitskonkurrenz« unter Männern und lösen Unmut bis Abscheu
aus.
Ein Manager berichtete mir, dass er nach dem Tod eines seiner Kinder beim wöchentlichen Jour fixe in der Firma plötzlich nur
noch angewidert war von all dem »seichten Gerede« seiner Mitarbeiter. »Was wollen die untereinander und vor allem von mir
als Vorgesetztem?« Er entwickelte daraufhin das dringende Bedürfnis, mehr »Ehrlichkeit« und »Wahrhaftigkeit« in der Firma
zu etablieren. Durch seine tiefe Trauer zeigte er schon von sich aus eine derartige Haltung. Das aber führte zur Irritation
seiner zumeist noch jungen Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Lebensentwicklung noch kaum Verluste erlitten hatten, als »Junggesellen«
nur zum Teil echtes Mitgefühl empfinden konnten und eher mit peinlicher Hemmung auf seinen veränderten Zustand reagierten.
Gleichzeitig merkte auch der Manager, dass er seinen Mitarbeitern nicht gerecht wurde und immer gereizter auf sie reagierte.
Als die Situation für ihn immer unerträglicher wurde, nahm er fremde Hilfe in Anspruch.
Bei diesem Fallbeispiel könnte man einwenden, dass hier vielleicht auch Psychotherapie indiziert gewesen wäre. Aufgrund der
im Prinzip gesunden Trauer, die der Klient in angemessener Weise verarbeiten konnte, hatte er psychotherapeutische Maßnahmen
gar nicht in Betracht gezogen. Für ihn stand sein eigener Wertewandel durch den Tod seines Kindes im Vordergrund des Erlebens.
Dieser eröffnete ihm nun völlig neue Perspektiven auf sein berufliches Umfeld. Und genau daran wollte er arbeiten und in der
Firma eintreten. In anderen Fällen, in denen sich etwa durch einen Unfall die persönliche Lage im Beruf völlig verändert,
wird eine »Arbeit an der Person« notwendig.
|79| So suchte mich der Inhaber einer größeren Firma auf, weil er durch einen Reitunfall und eine dadurch verursachte Gehirnschädigung
bei allen möglichen, auch den anscheinend banalsten Vorfällen in Tränen ausbrach. Da er vor seinem Unfall im Allgemeinen den
»hartgesottenen« Burschen spielte, erzeugten diese so offensichtlichen Gefühlsausbrüche bei seinen Mitarbeitern geradezu Konfusion,
zumal er nach dem traumatischen Ereignis physisch und intellektuell wieder gut hergestellt war. Seine eigene Berührbarkeit,
die er selbst als »Sentimentalität« denunzierte, beunruhigte ihn so sehr, dass er fremde
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