Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Hilfe in Anspruch nahm. Hier ging
es zunächst darum, ihn zu unterstützen, dass er die aufgrund der Gehirnschädigung erworbene neue Gefühlsverfassung bei sich
selbst besser anzunehmen lernte. Im weiteren Verlauf waren Versuche erfolgreich, seine emotionalen Bewegungen gezielter zu
kanalisieren.
Individuelle berufliche Krisen aufgrund situativer Faktoren
Diese bilden wahrscheinlich den häufigsten Anlass, Coaching in Anspruch zu nehmen. Das ist auch nur zu verständlich, denn
Situationsmerkmale sind vielfältig und dementsprechend auch die durch sie verursachten Krisen. Sie lassen sich auf einem gestaffelten
Figurhintergrund sortieren. Sie können durch Pensionierung, durch Arbeitsplatzwechsel, durch Bedingungen am speziellen Arbeitsplatz,
durch Bedingungen in einem organisatorischen System, durch Besonderheiten von Suprasystemen oder durch nationale und sogar
internationale Entwicklungen verursacht sein. Alle diese Faktoren ergeben potenzielle Herde für Krisen von Einzelnen.
Viele selbstverständliche Entwicklungen im Berufsleben von Menschen ziehen Krisen für die Betreffenden nach sich. So stellt
die Pensionierung immer eine einschneidende Erfahrung dar, die schon im Vorfeld durch Beratung innerhalb der Betriebe abzufedern
ist (
Comelli
1985). Auch ein Arbeitsplatzwechsel, der zumeist mit dem Eintritt in eine neue Organisation verbunden ist, führt regelmäßig
zu mehr oder weniger starken Krisenerscheinungen (
Nelson
et al. 1991). Die geradezu automatisch bestehende anfängliche soziale Isolation, die Notwendigkeit, in einem neuen System
sozial Fuß zu fassen, neue Beziehungen anzubahnen, die spezifischen Regeln und Normen eines Systems kennen zu lernen usw.,
zwingen Menschen immer zur Mobilisierung aller ihrer Kräfte. Hier kann Coaching eine wichtige Support-Funktion haben, insbesondere
dann, wenn das neue Berufsfeld hochkomplex ist.
In vielen anderen Fällen erzeugen strukturelle Korrekturen in organisatorischen Systemen krisenhafte Erscheinungen bei Einzelnen.
|80| Der Personalleiter einer Firma, die Teil eines multinationalen Konzerns war, erlebte eine schwere Krise, als von »der Zentrale«
eine neue Hierarchieebene über ihm etabliert wurde. Seine bisher üblichen, oft eher improvisatorischen Handlungsweisen wurden
nun stark eingeschränkt. Er hatte jetzt bei vielen seiner Transaktionen erst den neuen Vorgesetzten zu konsultieren. Diese
veränderte Situation erzeugte bei ihm innerhalb weniger Wochen starke Gefühle von Insuffizienz und Ohnmacht.
Heutzutage finden wir allerdings viel häufiger gegenläufige Strukturveränderungen, dass nämlich Hierarchieebenen reduziert
werden. Im Zuge organisatorischer »Abmagerungskuren« verlieren Menschen ihren Arbeitsplatz und müssen sich ein neues Betätigungsfeld
suchen. Dieses Schicksal trifft heute auch hochrangige Manager. Eben noch an der Spitze eines Unternehmens, mit enormen Einflussmöglichkeiten
ausgestattet, erleben sie ihre Entlassung regelmäßig als unbegreiflichen Absturz. Ihre neue Rolle als Arbeitsloser, selbst
wenn hohe Abfindungen an sie gezahlt wurden, birgt für sie immer eine Vielzahl von Kränkungen.
So berichtete die »Wirtschaftswoche« (8. 7. 1994) über einen entlassenen Betriebsleiter von Thyssen: »Einem Exmanager ist
es geradezu peinlich, zu Hause zu sein und den Nachbarn gegenüber seine Situation offen darzulegen. Da seine Frau berufstätig
ist, hat er den Haushalt übernommen, leidet aber unter den Spannungen, die es gibt, ›wenn das Essen mal zu spät auf dem Tisch
ist‹. Sein 14-jähriger Sohn fordert den Vater schon mal auf, ihn mit dem Auto zu chauffieren: ›Du hast doch jetzt eh nichts
zu tun.‹ Der 18-jährige Bruder ist besorgt ums eigene Image und fragt, ob als Ersatz für den Dienstwagen, einen Audi 100,
ein gleichwertiges Fahrzeug angeschafft werde.«
In der ersten Zeit sind entlassene Manager psychisch meistens so angeschlagen, dass sie kaum in der Lage sind, sich anderswo
zu bewerben oder ihrem Leben überhaupt noch einen Sinn zu verleihen. Bei derart dramatischen Karriereknicken bietet Coaching
unter dem Begriff »Outplacement-Beratung« oft den einzigen Halt (
Böhmer, Schumacher
1994).
Krisen können aus allen für ein System relevanten Umweltveränderungen resultieren. Bei Human Service Organizations zum Beispiel
stellen vielfach veränderte Anforderungen von Suprasystemen Krisenfaktoren dar. Sie sind für die einzelnen
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