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Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung

Titel: Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Schreyoegg
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vielfach nur unter Mühe den Kern eines aktuellen Unbehagens. Hier kommt Coaching
     zunächst die Aufgabe eingehender Analysen zu, damit Berufstätige überhaupt ein
Mitgefühl gegenüber sich selbst
erlernen können. Erst dann sind sie im Sinne von Selbstmanagement bereit, veränderte Handlungsstrategien zu entfalten.
     
    Ein erfolgreicher Unternehmensberater, der primär auf die formale Reorganisation von Großunternehmen spezialisiert war, erlebte
     im Laufe der Jahre einen zunehmenden Sinnverlust in seiner Arbeit. Diesen versuchte er zunächst durch den Besuch ausgefallener
     Selbsterfahrungsveranstaltungen im In- und Ausland zu kompensieren. Anlässlich einer Beratung stellte sich heraus, dass er
     die Mehrzahl seiner Kunden nicht nur zutiefst verachtete, sondern sie geradezu hasste, weil er |166| ihnen unterstellte, dass sie ihn nur als Funktionsträger zur Erhöhung ihrer Gewinne benutzten. Nach einer eingehenden Analyse,
     während derer er immer wieder versicherte, dass »diese Leute eben so seien und keinerlei Interesse an anderen Menschen haben«,
     tauchte nun die Frage auf, ob er denn gezwungen sei, solche Kunden mit solchen Intentionen zu bedienen. Er reagierte verblüfft
     und gestand nun ein, dass er ökonomisch gut genug abgesichert sei, um überhaupt nicht mehr zu arbeiten. Im weiteren Verlauf
     gemeinsamer Arbeit bemerkte er zunehmend, dass er durch seine gesamte Sozialisation darauf konditioniert war, sich utilitarisieren
     zu lassen. Als ihm dieser schmerzliche Zusammenhang immer deutlicher wurde, konnte er sich neuen und breiteren Formen der
     Organisationsberatung zuwenden, bei denen er bewusst als Dialogpartner in Erscheinung trat. Er bemerkte allerdings auch, dass
     er seinen bisherigen Kunden zu inhumane Haltungen unterstellte bzw. dass er sich ihnen meistens auch nur als Funktionsträger
     angedient hatte. Ihm schien es nun, dass sie wohl auch deshalb auf diese reduzierte Weise mit ihm interagierten.
     
    In vielen Fällen müssen sich auch Menschen in einem organisatorischen Ensemble fragen, wie viel Inhumanität sie an sich selbst
     zu tolerieren bereit sind. Korrekturen von Handlungsmustern stellen hier allerdings meistens noch höhere Anforderungen als
     bei Freiberuflern; denn die Betreffenden sind ja im Allgemeinen nahtlos in eine organisatorische Sinnwelt eingebunden. Gerade
     in solchen Fällen kann ein Coach aus seiner exzentrischen Position gut fördern und begleiten.
     
    Ein privatwirtschaftliches Fortbildungsinstitut für psychosoziale Themen musste wegen seines zunehmenden Größenwachstums in
     Fachbereiche untergliedert werden. Die Fachbereichsleiter, allesamt Honorarkräfte, hatten jeweils eine Vielzahl von Managementfunktionen,
     wie Tagungen konzipieren und organisieren, Personalplanung und -auswahl regeln usw. Aufgrund der charismatischen Attitüden
     des Institutsleiters und aufgrund des Status der Fachbereichsleiter als Nur-Honorarkräfte war es ihnen aber nicht möglich,
     eigene Entscheidungen zu grundlegenden Fragen zu treffen. So machte sich auf dieser Ebene des Systems zunehmend Unzufriedenheit
     bemerkbar. Sie konnte von den Betreffenden allerdings nur undeutlich artikuliert werden. Sie waren nämlich zumeist langjährig
     in die charismatische Kultur integriert und als »einsame Freiberufler« auch durch die Einbindung in ein stabiles soziales
     System korrumpiert. Außerdem interagierte der Institutsleiter mit ihnen meistens betont freundschaftlich. Als nun eine dieser
     Fachbereichsleitungen ihr Entscheidungsdefizit in einem Coaching-Prozess immer deutlicher erkannte, d. h. dieses Faktum als
     laufende Depotenzierung und damit inhumane Kränkung entlarvte, konnte sie sich aus der entsprechenden Position lösen und anderen
     Aufgaben zuwenden.

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|167| 2. Entwicklung menschlicher Gestaltungspotenziale im Beruf
    Arbeit als identitätsstiftender Faktor beinhaltet prinzipiell die Möglichkeit, das eigene Leben reich, vielfältig, bunt, befriedigend
     usw. zu gestalten. Wie im 3. Kapitel (»Anlässe von Coaching«) aber bereits deutlich wurde, können die Gestaltungsmöglichkeiten
     durch »Leid am Arbeitsplatz«, das durch vielfältige Krisen bei Einzelnen oder bei Kollektiven verursacht sein kann, oft empfindlich
     eingeschränkt werden. Coaching hilft dann Klienten, ihre beruflichen Gestaltungspotenziale wiederzugewinnen. In Fällen allerdings,
     wo sie schon gut entfaltet sind, besteht das Ziel von Coaching darin, die vorhandenen

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