Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
Möglichkeiten individueller und sozialer
Art weiter auszubauen.
2.1 Wiedergewinnung von Gestaltungspotenzialen
Aus beruflichem Stress, beruflichen Deformationen oder oft schon aus Beunruhigungen im Arbeitsprozess können nicht nur manifeste
psychische und/oder physische Symptome resultieren, sondern auch mehr oder weniger gravierende Verengungen, die zur Reduktion
vieler menschlicher Potenziale wie Kreativität, Lebendigkeit usw. führen. Eine zentrale Aufgabe von Coaching besteht dann
in der Unterstützung, krisenhafte Zustände überwinden oder mildern zu helfen. Ziel ist hier, dass Berufstätige ihre Potenz
zur Gestaltung und Selbstgestaltung wiedergewinnen.
Wiedergewinnung individueller Gestaltungspotenziale
Akute berufliche Krisen, egal welchen Ursprungs, führen oft dazu, dass sich Berufstätige wie »einsame Schiffbrüchige in einem
tosenden Ozean« fühlen. In solchen Fällen dominieren Gefühle des Ausgeliefertseins an eine nur noch als bedrängend erlebte
Berufswelt. In solchen Fällen geht der subjektive Eindruck aktiver Gestaltungsmöglichkeiten verloren. Coaching zielt hier
in einem ersten Schritt auf Sichten und Sortieren der aktuellen beruflichen Situation, damit der Klient wieder »Boden unter
die Füße« bekommt. Erst in einem zweiten Schritt ist es dann möglich, alternative Handlungsstrategien entwickeln zu helfen.
|168| Ein Psychologe fragte ursprünglich um Psychotherapie an, weil er sich »völlig konfus« fühlte, »kaum mehr schlief« und außerdem
einen »ständigen Druck in der Magengegend« wahrnahm. Anlässlich einer ausführlichen Rekonstruktion seiner Privat- und Berufswelt
stellte sich Folgendes heraus: Als Ergänzung zu einer stationären, psychotherapeutischen Kinderklinik hatte er am Rande des
Klinikgeländes eine Ambulanz für verhaltensgestörte Kinder und ihre Eltern aufgebaut. Seine Mitarbeiter waren Sozial- und
Heilpädagogen und -pädagoginnen. Da sich dieses Angebot in der Region sehr bewährte, wurde es sukzessive in das Klinikensemble
integriert. Deshalb bestellte die Klinikleitung einen Oberarzt, dann einen Stationsarzt und zwei Krankenpfleger. Die Konsequenz
war nicht nur, dass der Psychologe im zweiten Glied der Hierarchie dem Stationsarzt gleichgestellt war, die gesamte Arbeit
erhielt nun auch ein medizinalisiertes Gepräge. Die Kinder wurden ab jetzt ausführlichen medizinischen Eingangsuntersuchungen
unterzogen, die Interaktionen mit den Eltern interpretierte das medizinische Personal eher als »Elternschule« und weniger
als psychologische Beratung usw. Der Psychologe fühlte sich zunächst sehr geschmeichelt, dass die Klinikleitung sein Projekt
als so erfolgreich betrachtete und es nun als reguläres Angebot der Klinik behandelte. Im weiteren Verlauf entwickelte er
aber zunehmend krisenhafte Symptome, die er sich wegen seiner subjektiven Erfolgsgefühle gar nicht erklären konnte.
Anlässlich einiger Coaching-Sequenzen fiel es ihm nun wie Schuppen von den Augen, dass er von dem klinischen System empfindlich
depotenziert worden war. Nach der ersten Sitzung konnte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder schlafen. Das Magendrücken
aber verstärkte sich in der zweiten Sitzung erheblich, als er nämlich erkennen musste, dass seine ursprünglichen Intentionen
für die Tagesklinik nicht mehr durchsetzbar waren. Erst als er sich entschied, die Stelle eines Psychologen in einem Kinderheim
anzunehmen, wo er seine eher soziotherapeutischen Vorstellungen besser realisieren konnte, legten sich auch seine Symptome.
Er verblieb allerdings noch einige Zeit im Coaching, weil sein berufliches Selbstverständnis durch die Ereignisse in der Klinik
empfindlich gelitten hatte.
Zur Wiedergewinnung individueller Gestaltungspotenziale im Beruf ist es in vielen Fällen notwendig, nicht nur bei der Bewältigung
von unmittelbaren Krisen Unterstützung zu geben. Krisenerfahrungen führen vielfach zu einer generellen Schwächung des professionellen
Selbstverständnisses. Aus diesem Grund ist es meistens geraten, das wiedererwachende berufliche Standing noch eine Zeit lang
zu begleiten.
|169| Wiedergewinnung sozialer Gestaltungspotenziale
Mit dem Verlust individueller Gestaltungspotenziale gehen im Allgemeinen auch die sozialen verloren. Wo aber bei der soeben
beschriebenen Kategorie das Erleben des Einzelnen im Vordergrund steht, geht es in diesem Zusammenhang um vergleichbare Phänomene
ganzer
Weitere Kostenlose Bücher