Coaching to go
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!«
Ich: »Da bin ich jetzt aber ein bisschen neidisch – so viele Baustellen! Das heißt, dass Sie bald ganz viele Häuser besitzen!«
Klient (lachend): »Genau! So kann man es auch sehen!«
7. Mir wächst alles über den Kopf!
»Mir wächst alles über den Kopf!«, sagte der Bonsai zur Palme. »Kein Wunder«, sagte die Palme. (Kein chinesisches Sprichwort)
Da kommt eine hübsche Mittvierzigerin in meinen Laden und erzählt von ihren vielen unerledigten Projekten, und … alles Weitere möchte ich Ihnen gern ein bisschen anders erzählen, bildlicher …
Während sie spricht, wuchert und wächst es aus ihr heraus, um sie herum – und vor allem: über sie drüber! Nach etwa zehn Minuten kann ich sie kaum noch sehen vor lauter Gewächs. Hin und wieder streicht sie eine Ranke aus ihrem Gesicht, zupft eine große Blüte ab, aber es hilft nichts: Nach einer Viertelstunde ist sie komplett zugewachsen, die Pflanzen reichen bis unter die Decke und wachsen unaufhörlich weiter. Meine Klientin verschwindet dahinter. Ich mache mir Sorgen.
Sie macht sich offenbar auch Sorgen. Je mehr Sorgen sie sich macht, desto weiter wächst es. Ich kann es sehen. Ich könnte jetzt ihre Sorgen thematisieren, aber angesichts meines zugewachsenen Gegenübers scheint es mir sinnvoll zu sein, im botanischen Garten zu bleiben.
Ich denke nach: Da wächst etwas – einfach so?
Meines Wissens brauchen Pflanzen Wasser zum Wachsen. Selbst Sukkulenten (dieses Wort wollte ich schon immer einmal schreiben!) brauchen hin und wieder einen Schluck. Nun kann man einfach warten, bis es regnet. Oder selbst gießen.
Bewegen kann sie sich offenbar nicht mehr, aber sprechen kann sie noch.
Also kann ich sie etwas fragen:
»Pflanzen brauchen Wasser. Richtig?«
»Richtig«, sagt sie.
»Wer gießt denn Ihre ganzen Pflanzen hier?«
»Keine Ahnung!«, kommt es unter dem Blätterdickicht hervor.
»Könnte es sein, dass Sie selbst gießen?«, hake ich nach.
»Warum sollte ich das tun?«
»Das weiß ich nicht!«, antworte ich wahrheitsgemäß (immer dieser Irrtum, dass ein Coach alles schon weiß!).
»Ich dachte, Sie können mir das sagen.« (Sehen Sie, immer das Gleiche!)
»Mal angenommen, Sie gießen selbst«, schlage ich vor, »und mal angenommen, das würde irgendeinen Sinn ergeben, irgendeinen – was könnte das sein?«
Eine Weile ist es still, nur das Rascheln von Blättern ist zu hören, Blätter der weiterwachsenden Ranken.
»Wie geht es Ihnen da drin?«, frage ich. »Beschreiben Sie mal!«
»Nicht gut! Es ist dunkel und zu warm. Ich schwitze, sehe nichts, kann mich nicht bewegen. Es macht mir Angst, dass es immer weiterwächst, nicht aufhört.«
»Was noch?«
»Könnten Sie lauter sprechen?«, bittet sie. »Ich versteh’ Sie immer schlechter.«
»Was noch?«, rufe ich ziemlich laut.
»Ich fühle mich von der Außenwelt abgeschnitten. Abgeschnitten, haha! Sie haben nicht zufällig eine Gartenschere hier?«
Ich verneine.
»Würde wahrscheinlich nicht viel bringen, was? Ist in null Komma nix wieder nachgewachsen … verdammt!«
»Von der Außenwelt abgeschnitten …?«, hake ich nach.
»Genau. Ich fühle mich klein, allein, es ist so viel um mich, ich muss alles selbst machen … Ich will, dass jemand anderes das macht!!«
»Sie möchten, dass jemand anderes das alles für Sie erledigt?«
»Ja, ich schaff’ das nicht. Sie sehen ja – es geht nicht!«
»Das sehe ich. So geht es nicht – es wächst Ihnen ja alles über den Kopf!«
»Genau. So kann ich nichts machen.«
»So können Sie nichts machen …«, wiederhole ich.
»Ja, blöd«, gibt sie zu.
Ich: »Dann könnten Sie sich auch genauso gut ein bisschen ausruhen. Ich meine, wenn Sie sowieso nichts machen können.«
»Gezwungenermaßen, ja.«
»Die wachsenden Pflanzen zwingen Sie also, still zu sitzen und nichts zu tun?«
»Dafür sollte ich ihnen eigentlich dankbar sein, hm?«, lacht sie. »Stimmt, jetzt, da ich darüber nachdenke: Wenn ich eh nichts machen kann, brauche ich mich ja nicht verrückt zu machen.«
»Machen Sie das, sich verrückt?«, frage ich nach.
»Ja, klar. Oft.«
»Und jetzt gerade nicht?«
»Nö. Macht ja keinen Sinn, sich jetzt auch noch zusätzlich verrückt zu machen.«
»Wie geht es Ihnen jetzt?«
»Besser. Erleichtert.« (Und das kann ich auch an ihrer Stimme hören!)
»Also solange Sie hier in Ihrem Gewächshaus sitzen, brauchen Sie gar nichts zu tun, das erleichtert Sie.«
»Genau.«
»Also
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