Cobra
bei sich.
Er ließ seine Eltern allein und ging in die Küche, um seinen Brüdern zu helfen.
9
Irgendwann in den vergangenen ein oder zwei Jahren war eines der heftigen aventinischen Frühlingsunwetter über diesen Teil des Trappers Forest hinweggefegt, und der höchste Hügel in der Region hatte ordentlich etwas abbekommen. Einen Baum hatten die Blitze in Kleinholz zerlegt, sechs weitere waren durch den Wind umgelegt worden. Das Ergebnis war eine Hügelkuppe, die trotz des miserablen Untergrundes einen ungehinderten Blick dreißig Meter weit in jede Richtung ermöglichte. Ein überflüssiger Luxus für den durchschnittlichen Cobra-Befehlsposten … andererseits wurde die durchschnittliche Cobra-Mission auch nicht von Zivilisten beobachtet, auf die es aufzupassen galt.
Die akustischen Verstärker auf volle Leistung gestellt, ließ Almo Pyre den Blick langsam am Rand der Lichtung entlangwandern und war sich dabei in aller Deutlichkeit der Frau mittleren Alters bewusst, die neben ihm stand. Eine Zivilistin war schlimm genug, aber einen der drei Gouverneure hier draußen zu haben gehörte zu der Sorte unnötigen – um nicht zu sagen idiotischen – Risikos, die kein Cobra-Truppführer eingehen würde, der recht bei Verstand war. Ich hätte sie nicht mitnehmen sollen, überlegte Pyre gereizt. Das offizielle Theater wäre nichts gewesen im Vergleich zu dem, was los ist, wenn sie getötet wird.
Ein leises Summen – drei kurze Töne – ertönte im Empfänger in seinem rechten Ohr: Winward hatte einen ihrer drei anvisierten Stachelleoparden entdeckt. Pyre summte zur Bestätigung in das Drahtmikro längs seiner Wange und fügte eine Warnung an die anderen hinzu. Der Summcode war begrenzt und manchmal etwas unpraktisch, hatte aber den Vorzug, nicht so laut zu sein, um die Abschaltung des akustischen Verstärkers auszulösen.
»Hmm?«, summte Gouverneurin Lizabet Telek lauter, als es ein Cobra getan hätte, aber wenigstens war sie klug genug, ihre Frage nicht auszusprechen.
Pyre schaltete den akustischen Verstärker zurück und richtete gleichzeitig seine Aufmerksamkeit mehr auf seine visuellen Sucher. »Michael hat einen gefunden«, erklärte er flüsternd. »Die anderen werden ihn jetzt in einer Netzformation vor sich hertreiben und nach Jungtieren und weiteren ausgewachsenen Tieren Ausschau halten.«
»Jungtiere.« Teleks Stimme klang gelassen, und doch schwang mehr als ein Hauch Unzufriedenheit darin mit.
Pyre zuckte kaum merklich mit den Achseln. Hatte er dort zwischen zwei Bäumen eine Bewegung gesehen? »Dieses Jahr sind es noch Jungtiere, nächstes Jahr vermehren sie sich bereits«, erinnerte er sie. »Wenn ihr Biologen eine Methode findet …«
Rechts hörte Pyre ein Geräusch im Geäst und wirbelte herum. Ein katzenartiger Körper kam aus den Bäumen auf sie zugeschossen.
Der Sprung war zu kurz – das war sofort ersichtlich -, doch Pyre wusste, dass das Raubtier in vollem Lauf landen würde. Seine Hände befanden sich bereits in Feuerstellung – die kleinen Finger waren auf den Stachelleoparden gerichtet, während die Daumen auf den Nägeln der Ringfinger ruhten -, und als das Tier die Hinterläufe nach unten reckte, um zu landen, drückte er ab.
Die Laser in seinen kleinen Fingern spien dem Stachelleoparden Lichtnadeln ins Gesicht, verschmorten Fell, Knochen und Hirngewebe. Doch das von Pyre anvisierte Ziel, die Augen, entging der Zerstörung, und das eher dezentralisierte Nervensystem des Tieres steckte den Hirnschaden weg, als hätte es ihn überhaupt nicht registriert. Der Stachelleopard landete, seine Füße gerieten auf dem mit Ästen übersäten Boden leicht ins Straucheln …
Pyre hatte sich umgedreht, schwenkte sein linkes Bein herum und zielte, als Telek erschrocken keuchte. »Hinter Ihnen!«, stieß sie hervor.
Ein Blick über die Schulter, mehr war aus Pyres Blickwinkel nicht möglich, doch das genügte. Die Bewegung, die er im Wald gesehen hatte, hatte sich in einen zweiten Stachelleoparden verwandelt, der sie nun – einem pelzigen Geschoss gleich – angriff.
Und solange er sich nicht umdrehte, war er auch nicht in der Lage, irgendetwas dagegen zu unternehmen. »Runter!«, blaffte er Telek an, in der verzweifelten Hoffnung, den Angriff des Stachelleoparden auf sich lenken zu können. Seine programmierten Reflexe gaben ihm im Falle eines Kampfes eine Chance, doch die gleichzeitige Verteidigung von Unbeteiligten war nicht vorgesehen … Einen Augenblick später hatte sein linkes Bein
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