Cobra
Informationen hinter verschlossenen Türen wie damals, als er im Umfeld der Moreaus gelebt hatte, dennoch hätte Stiggur Telek nicht mitreisen lassen, wenn er nicht von ihr Berichte und Empfehlungen bezüglich Qasama erwartete, die mehr oder weniger mit seinen Hoffnungen übereinstimmten. Pyre war gut mit Jonny Moreau befreundet, der sowohl als Gouverneur als auch jetzt im Ruhestand regelmäßig mit Telek aneinandergeraten war … und doch war es Pyre , um dessen Schätzungen betreffs Kosten und Arbeitskraft sie sich für ihre Präsentation vor den Gouverneuren bemüht hatte, und es war Pyre, für den sie sich als Anführer des Cobra-Teams bei dieser Mission starkgemacht hatte.
Warum? Glaubte sie, ihm schmeicheln zu können, damit er ihre eher aggressive Haltung in der Qasamafrage unterstützte? Wollte sie ihm Gelegenheit zu einem letzten, echten Einsatz als Cobra geben, bevor die Implantate begannen, Krankheiten hervorzurufen und seinen Körper langsam, doch unaufhaltsam zu zersetzen? Und das alles in der Hoffnung, er werde aus Dankbarkeit ihr politischer Verbündeter? Oder war sie einfach zu dem Schluss gekommen, er sei der beste Mann für den Job, und zum Teufel dieses eine Mal mit der Politik?
Er kannte die Antwort nicht … und schnell wurde ihm klar, dass er sie unterwegs auch nicht finden würde. Teleks Erfahrung als Biologin hatte sie auf den überfüllten Zoo an Bord der Dewdrop nur unzureichend vorbereitet, und obwohl sie mutig versuchte, sowohl ein Minimum an Umgänglichkeit als auch ihre Verantwortung als offizielle Leiterin der Mission aufrechtzuerhalten, war deutlich, dass es keine Gelegenheit geben würde, sie über ihre Gedanken und Motive auszuhorchen. Vielleicht wäre dafür Zeit, wenn sie Qasama erreicht hatten und das Kontaktteam an Land gegangen war. Vorausgesetzt, es blieb überhaupt für irgendetwas Zeit.
Er verbrachte also seine Zeit damit, die Einsatzpläne mit seinem Team auszuarbeiten, seine Freundschaft mit den Moreau-Zwillingen zu vertiefen und auf das trostlose Hintergrunddröhnen der Motoren der Dewdrop zu lauschen, während er darüber nachdachte, ob er etwas übersehen hatte. Er gab sich alle Mühe, die Alpträume von einem plötzlichen, überwältigenden Desaster zu ignorieren.
Bei energieschonenden, hocheffizienten Geschwindigkeiten hätten sie für die fünfundvierzig Lichtjahre bis Qasama ein wenig mehr als einen Monat gebraucht, mit der Höchstgeschwindigkeit der Dewdrop , mit zahlreichen Tankstops an Troftsystemen, hätten sie die Distanz in sechs Tagen zurücklegen können. Captain Reson F’ahl entschied sich für einen vernünftigen Mittelweg, sowohl aus Angst um die nicht mehr ganz neuen Systeme der Dewdrop
als auch – wie Pyre vermutete – aus einem alten, weiter anhaltenden Misstrauen den Trofts gegenüber.
Fünfzehn Tage lang waren sie also eingepfercht in der Finsternis des Hyperraums, während derer nur die Tankstopps tief im All alle fünf Tage die Monotonie vor dem Sichtfenster durchbrachen … und am sechzehnten Tag erreichten sie Qasama.
Seit Jahrhunderten behaupteten Puristen, keine fotografische Emulsion, kein holografisches Tracer- oder digitalisiertes optisches Aufzeichnungsverfahren besäße annähernd die gleiche Bandbreite oder Wahrnehmungskraft wie das menschliche Auge. Verstandesmäßig neigte Joshua dazu, dem zuzustimmen, auf einer eher instinktiven Ebene stellte er dies zum ersten Mal fest, als er jetzt aus dem Bullauge seiner Kabine sah.
Die Dichter hatten tatsächlich Recht: Es gab nur wenige Anblicke, die majestätischer waren als der einer ganzen Welt, die sich langsam und friedlich unter einem drehte.
Am kleinen Oval aus Dreifachplastik stehend, das Gesicht praktisch dort festgeschweißt, bemerkte er erst, dass Justin hinter ihm den Raum betreten hatte, als dieser sagte: »Willst du dort festwachsen?«
Er drehte sich nicht mal um. »Geh und such dir dein eigenes Fenster. Auf dieses habe ich die Benutzerrechte während der Landung.«
»Komm schon – rück ein Stück zur Seite«, sagte Justin und zupfte mit symbolischer Kraft an seinem Ärmel. »Solltest du nicht sowieso bei Yuri und den anderen sein?«
Joshua machte eine vage Handbewegung Richtung InterKom-Display. »Da oben ist kein Platz für jemanden, der größer ist als ein Hamster – ach, na schön.« Mit einem gespielt empörten Schnauben trat er beiseite. Justin nahm seinen Platz am Bullauge ein … und Joshua wartete das erste ehrfürchtige Pfeifen seines Bruders ab,
Weitere Kostenlose Bücher