Cobra
Leute, die darauf achten sollten, ob sich jemand ihrer Stellung nähert, haben offenbar nicht aufgepasst, daher gelang es einem Dutzend Trofts, unversehens einzudringen. Wir konnten gerade noch eine Warnung rausschicken, waren aber zu weit weg, um einzugreifen.«
Jonny nickte und spürte die gleiche Verbitterung, die Deutsch fast sichtbar ausstrahlte … jene Verbitterung, an der er selbst seit seiner Ankunft auf Adirondack schon zweimal fast erstickt wäre. Parr Noffke und Druma Singh – die beiden Verluste aus ihrem eigenen Trupp – gingen auf die gleiche zivile Inkompetenz zurück. Jonny hatte lange gebraucht, um über den Tod jedes Einzelnen hinwegzukommen, Halloran, dessen Toleranz für Leute aus dem Siedlungsgrenzgebiet noch niedriger war, sogar noch etwas länger.
Deutsch, der auf Adirondack geboren und aufgewachsen war, hatte die Sache noch überhaupt nicht weggesteckt.
»Irgendeine Idee, wie hoch die Verluste insgesamt sind?«, fragte Jonny Halloran.
»Niedrig, denke ich, von den Cobras abgesehen«, antwortete dieser. Die unausgesprochene Schlussfolgerung, die in letzter Zeit häufiger gezogen wurde, als ihm lieb war, ließ Jonny zusammenzucken – dass nämlich das Leben der Cobras wertvoller sei als das der verbündeten Untergrundkämpfer. »Natürlich haben wir nicht wirklich versucht, diese Schotterhalde einzunehmen, niemand musste also ein übertriebenes Risiko eingehen. Sind die frischen Truppen sicher gelandet?«
»Keine Ahnung.« Jonny schüttelte den Kopf. »Über den Pulsempfänger ist von außerhalb des Planeten nichts reingekommen, das dies bestätigt hätte.«
»Sähe diesen Phrijgesichtern ähnlich, den Absprung in letzter Minute noch abzublasen, ohne uns zu informieren.«
Jonny zuckte mit den Achseln und drehte sich wieder zu den Leuten um, die Marjas Arm verarzteten. »Wie sieht es aus?«
»Typische Hornetverletzung«, meinte einer von ihnen. »Starke Oberflächenschäden, aber es wird wieder verheilen. Sie ist allerdings eine Weile außer Gefecht.«
Und wenigstens so lange hatte Danice einen Elternteil, der nicht mehr unmittelbar an den Kämpfen beteiligt war.
Als ob das eine Rolle spielte. Jonny hatte bereits zu viele unbeteiligte Zivilisten tot im Kreuzfeuer liegen sehen.
Die nächsten paar Minuten verstrichen, ohne dass jemand etwas gesagt hätte. Die beiden Zivilisten hatten Marjas Arm verbunden und gingen, dabei nahmen sie den bescheidenen Bestand an Kampfausrüstung der Gruppe mit, um ihn zu verstecken. Kem und Danice begleiteten Marja in eines der drei Schlafzimmer des Apartments, vorgeblich, um sie ins Bett zu bringen, hauptsächlich jedoch – vermutete Jonny -, um die drei Cobras ein wenig in Ruhe zu lassen, damit sie die Operation diskutieren und zukünftige Strategien planen konnten, bevor die übrigen Bewohner des Apartments von der Arbeit nach Hause kamen.
Während der ersten Monate, überlegte Jonny, hätten sie das wohl auch gemacht. Doch nach drei Jahren war fast alles gesagt, die meisten Pläne durchdiskutiert, und wo früher lange Gespräche
nötig waren, genügte jetzt eine Geste mit der Hand oder ein Zucken der Augenbrauen.
Im Augenblick verrieten die Gesten nichts als Müdigkeit. »Morgen«, erinnerte Jonny sie an das nächste hochrangige Treffen, während sie bereits auf dem Weg zur Tür und in ihre eigenen, beengten Apartments waren.
Halloran nickte. Deutsch zuckte bloß mit dem Mundwinkel.
Und damit ging ein weiterer wundervoller Tag auf Adirondack seinem Ende zu. Wenn die Mauer es aushalten kann, wiederholte Jonny innerlich, dann kann ich es auch.
Die drei Leute, die am Tisch saßen, sahen aus wie so ziemlich alle Menschen von Cranach in diesen Tagen: müde, schmutzig und mehr als nur ein wenig verängstigt. Manchmal fiel es schwer, sich vorzustellen, dass sie zu den besten Anführern des Untergrunds gehörten, die Adirondack zu bieten hatte.
Noch schwerer fiel es angesichts der Verluste unter den Cobras und der Zivilbevölkerung zuzugeben, wie gut sie im Grunde ihren Job erledigten.
»Die erste Neuigkeit ist die, dass trotz einiger abgefangener Signale der letzte Cobra-Absprung erfolgreich war«, verkündete Borg Weissmann den schweigenden Untergrundtruppführern des Zentralen Sektors, die im Raum verteilt saßen. Klein und untersetzt, mit hartnäckigen Spuren von Betonstaub in den Haaren und unter den Fingernägeln, sah Weissmann in der Tat aus wie der zivile Bauunternehmer, der er eigentlich war. Vor zwanzig Jahren jedoch war er als Chef
Weitere Kostenlose Bücher