Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
Vom Netzwerk:
knurrte Chandler. »Also gut, bitte – spielen wir’s einmal durch. Sagen
Sie mir, wie sich die Stimmen verteilen werden, wenn wir zurückgehen und zur entscheidenden Kraftprobe schreiten.«
    »Telek und ich würden mit ›ja‹ stimmen«, sagte Corwin langsam. »Priesly und Atterberry würden natürlich mit ›nein‹ stimmen, egal, ob sie meiner Meinung sind oder nicht. Vartanson und Bailar … wahrscheinlich mit ›ja‹. Vartanson, weil im Falle einer Zulassung von Frauen der Kader für Cobra-Kandidaten auf Caelian verdoppelt würde, Bailar, weil die Qasamaner nur ein paar Lichtjahre vor Esquilines Türschwelle liegen und ihn Jins Fall mehr interessieren dürfte als alle Traditionen. Dank Vartansons doppeltem Stimmrecht hätte ich dann fünf Stimmen.«
    »Was bedeutet, dass Sie eine weitere Stimme für eine einfache Mehrheit brauchen«, sagte Chandler. »Meine zum Beispiel.«
    Corwin sah ihm in die Augen. »Ihre Stimme war stets die einzige, die ich wirklich brauchte.«
    Einen Augenblick lang erwiderte Chandler stumm seinen Blick. »Politik bewegt sich in Zyklen«, sagte er endlich. »Sollte der Generalgouverneur heute über mehr Macht verfügen als in der Vergangenheit, so werde ich mich nicht dafür entschuldigen.« Er schürzte die Lippen und schüttelte langsam den Kopf. »Aber Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, ich könnte das ganz allein durchdrücken, gegen allen Widerstand. Priesly allein wäre schon zu mächtig, um gegen ihn anzurennen.«
    Corwin drehte sich von ihm weg. Sein Blick fiel durch das wandhohe Fenster auf das Panorama dahinter. Vor seinem inneren Auge konnte er Jins Gesicht sehen, wie sie ihn gestern Abend angebettelt hatte … Jins Gesicht im Krankenhaus, als die Ungeheuerlichkeit dessen, was er versehentlich getan hatte, langsam klar zutage trat. Welchen Preis kostet die Macht?, dachte er vage für sich. Welchen Nutzen hat dieses Amt, wenn es einem nicht ermöglicht, das zu tun, was nötig ist? »Also schön«, sagte er langsam. »Wenn Priesly einen Anreiz braucht, soll er ihn kriegen.« Er wandte sich wieder Chandler zu. »Wir werden zulassen, dass Jin bei den Cobras aufgenommen wird, nach außen hin aus den von mir angeführten Gründen, weil sie sich bei einer Spionagemission
auf Qasama als nützlich erweisen wird. Aber wir werden es auch als ein großes Experiment über die Frage deklarieren, ob Frauen erfolgreich in das gesamte Cobra-Programm integriert werden können oder nicht. Funktioniert es nicht – erweist sich das Experiment als Misserfolg …«, er holte tief Luft, »… dann trete ich von meinem Amt als Gouverneur zurück.«
    Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass er echtes Entsetzen in Chandlers Gesicht sah. »Sie wollen – was ?« Sein Gegenüber stotterte fast. »Moreau – das ist verrückt .«
    »Es ist meine Entscheidung«, erklärte Corwin ihm schlicht. »Ich weiß, wozu Jin fähig ist. Sie wird diesen Job erledigen, und zwar gut.«
    »Das spielt praktisch keine Rolle. Was immer geschieht, Priesly wird behaupten, das Experiment sei gescheitert, nur um Sie rauszudrängen. Das wissen Sie.«
    »Er wird versuchen , das zu behaupten, sicher«, meinte Corwin mit einem Nicken. »Ob die Behauptung standhält, wird davon abhängen, wie gut Jin sich macht, oder?«
    Chandler schürzte die Lippen. Seine Augen suchten Corwins Gesicht ab. »Ich werde natürlich die Zustimmung des gesamten Senats brauchen.«
    »Wir alle haben unsere Fans und Verbündeten dort«, sagte Corwin. »Wenn wir Ihre, meine und Prieslys zusammennehmen, sollte das reichen. Besonders wenn wir die Geheimhaltung bei der Qasama-Mission dazu benutzen, das Experiment unter Verschluss zu halten. Auf diese Weise geraten wir nicht ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit.«
    Ein schiefes Lächeln legte Chandlers Gesicht in Falten. »Sie werden zynisch im Alter.«
    Corwin sah erneut zum Fenster hinaus. »Nein«, meinte er mit einem Seufzer. »Ich werde einfach zum Politiker.«
    Und er fragte sich, wieso das in seinen Ohren so sehr wie ein Fluch klang.

44
    Spätfrühling im Syzra-Distrikt, so hatte Jin einmal gehört, sei die angenehmste Jahreszeit in diesem Teil von Aventine … wenn man zufälligerweise eine Ente war. Seit vermutlich gut drei Monaten in Folge war der Himmel über Syzra entweder dicht bewölkt oder entleerte sich in Sturzbächen von kaltem Regen.
    Doch wenn diese Geschichten stimmten, dann war dieser Tag eine wohltuende Ausnahme. Die aufgehende Sonne, die durch den dichten Wald linste, welcher sie

Weitere Kostenlose Bücher