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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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letzten halben Stunde hatte es nicht weniger als fünf solcher Warnungen geben, ein sicheres Zeichen, dass sie kurz davorstand, das Bewusstsein zu verlieren. Kampfneurose, ein durch ihre Verletzungen hervorgerufener Schock, irgendein langsam wirkendes Gift von den Tierstichen und – kratzern, die sie abbekommen hatte – der Grund war eigentlich gleichgültig. Jetzt kam es darauf an, ein sicheres Plätzchen zu finden, wo sie in Ruhe umkippen konnte.
    Also … in welche Richtung?
    Sie kniff die Augen zu, als die Tränen hervorschossen, und betrachtete die Straße. Wahrscheinlich zwei Fahrbahnen breit, gepflastert mit einer Art Steine – es war alles andere als eine wichtige Verbindungsstraße. Sie verlief fast genau in nordsüdlicher Richtung, zumindest an dieser Stelle, führte also wahrscheinlich zu einer der kleinen Waldsiedlungen westlich und nordwestlich der Hauptstadt des Fruchtbarkeitsbogens, Azras. Nach den Karten in ihrem Gepäck lagen diese Siedlungen irgendwo zwischen zehn und fünfzehn Kilometer auseinander. Eine unbedeutende Entfernung für einen Cobra in guter Verfassung, allerdings war ihre gegenwärtige Verfassung alles andere als gut.

    Der rote Kreis erschien erneut rings um ihr Gesichtsfeld. Mit einem kräftigen Biss auf die Unterlippe gelang es ihr noch einmal, ihn zu vertreiben.
    Der Gedanke an die Karten hatte sie an etwas erinnert. Etwas Wichtiges … Sie konzentrierte sich angestrengt und versuchte, ihr Gehirn wach zu rütteln. Ihre Notpakete – das war es. Ihre Pakete mit den aventinischen Karten und den abgepackten Notrationen und der qasamanischen Kleidung …
    Qasamanische Kleidung.
    Mit Mühe programmierte sie ihre akustischen Verstärker.
    Nichts als das Gezwitscher von Vögeln und das Gezirpe von Insekten. Sie verließ die Straße, ging zurück zum Waldrand und ließ hinter einem Gebüsch, das je zur Hälfte aus Blättern und aus Dornen zu bestehen schien, ihre Notpakete zu Boden fallen. Nachdem sie ihr eigenes Paket zwischen den dreien herausgesucht hatte, öffnete sie umständlich die Schnallen und zog eine Garnitur qasamanischer Kleidung heraus.
    Der Kleiderwechsel war die reinste Tortur. Die Wunden an Armen und Gesicht nässten, die Verletzungen vom Absturz schmerzten bei jeder Bewegung. Doch mit den Schmerzen wurden auch ihre Gedanken ein wenig klarer, und als sie fertig war, dachte sie sogar daran, ihre aventinische Kleidung zu verstauen und alle drei Pakete, so gut es ging, unter dem Dornengebüsch zu verstecken. Eine Minute später stapfte sie die Straße entlang – ohne besonderen Grund in nördlicher Richtung.
    Sie hörte den Wagen nicht kommen. Als die Stimmen nach ihr riefen, schienen sie aus großer Entfernung zu kommen und hallten aus einem wabernden Nebel hervor, der sowohl ihre Ohren wie auch ihre Augen einzuhüllen schien.
    »… los mit Ihnen? Hm?«
    Sie zwang ihre Füße stehen zu bleiben und versuchte, sich umzudrehen, hatte es aber erst bis zur Hälfte geschafft, als ein Paar Hände sie plötzlich an den Schultern packten.
    »Gott im Himmel, Meister Sammon! Sehen Sie sich ihr Gesicht an!«

    »Schaffen Sie sie in den Wagen!«, schnitt eine ruhigere Stimme der ersten das Wort ab. »Ende – Sie helfen ihm dabei.«
    Und in einem schwindelerregenden Durcheinander wurde Jin an Schultern und Hüften hochgehoben und von kräftigen Armen in ein rotes, kastenförmiges Ding getragen …
     
    Der Luftsensor an seinem rechten Handgelenk piepste zweimal. Daulo Sammon hielt ihn dicht vor sein Gesicht und wischte sich den Staub von der Schutzbrille, um besser sehen zu können. Die Anzeige bestätigte, was ihm seine Lungen und der Piepston bereits angekündigt hatten: Die Luft in diesem Teil der Mine wurde langsam schlecht. Daulo zog die Uhr an seinem anderen Handgelenk zurate. Offiziell hatten die Arbeiter noch fünfzehn Minuten bis zum Ende ihrer Schicht. Wenn er die Lufttauscher jetzt anstellte und sie vielleicht drei Minuten laufen ließ …
    Lohnte sich nicht. »Vormann?«, rief er in das Mikro seines Headsets. »Hier spricht Daulo Sammon. Die Schicht ist hiermit offiziell beendet, Sie können damit beginnen, die Männer zum Schacht zurückzubringen.«
    »In Ordnung, Meister Sammon«, hörte er den anderen durch das Knistern der Interferenzen, die das Metall in den Erzadern auslöste. Daulo spitzte die Ohren, aber falls der Vormann sich angesichts solch ungewohnter Großzügigkeit freute oder wunderte, verriet seine Stimme dies jedenfalls nicht. »Alle Arbeiter, zurück

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