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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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abbogen.
    »Öffentlich oder privat?«, wollte Walare wissen.
    »Privat natürlich. Wobei Sie sich den Tratsch aus dem Hinterland allerdings sparen können.«
    Im Rückspiegel sah Daulo, wie Lachfältchen einen Moment lang Walares Augen umspielten. »Ja, wie die Zeiten sich ändern«,
sagte er mit gespieltem Bedauern. »Ich kann mich an eine Zeit erinnern – vor mehr als drei Jahren -, als die Nachrichten aus dem Hinterland das Erste waren, nach dem Sie sich erkundig…«
    »Die Neuigkeiten, Walare. Was gibt’s Neues?«, unterbrach ihn Daulo mit gleichfalls gespielter Verzweiflung. Er kannte Walare seit der Kindheit, und während in der Öffentlichkeit das Verhältnis zwischen dem Chauffeur und dem Erben der Familie Sammon klar geregelt war, ging es in der Abgeschiedenheit von Daulos Wagen etwas lockerer zu. »In den Erinnerungen an die guten alten Zeiten können Sie später schwelgen.«
    Walare lachte in sich hinein. »Eigentlich war es ein ganz ruhiger Tag. Die Laster der Familie Yithra werden zum Aufbruch bereitgemacht – scheinbar hat jemand einen ergiebigen Waldabschnitt ausgemacht. Vielleicht will der Bürgermeister deswegen Ihren Vater überreden, ihn bei der Umgestaltung der Mauer zu unterstützen.«
    »Verschwendung von Geld und Mühe«, schnaubte Daulo und warf einen Blick nach hinten. Hinter den Gebäuden der Siedlung war ein Teil der Mauer zu erkennen, deren waldähnliche Bemalung im unteren Teil in scharfem Kontrast zu dem kahlen Metallgitteraufsatz darüber stand. »Die Razorarme kommen schon jetzt nicht mehr über die Mauer.«
    Walare zuckte mit den Achseln. »Bürgermeister haben eben nichts anderes zu tun, als sich über alles Mögliche aufzuregen. Worüber könnte er sich im Augenblick sonst aufregen?«
    Daulo grinste verkniffen. »Abgesehen von dem Ärger, den wir mit der Familie Yithra haben, meinen Sie?«
    »Was soll er dazu noch sagen, was er nicht schon gesagt hätte?«
    »Nicht viel«, gab Daulo zu. Es hatte Zeiten gegeben, als er sich gewünscht hatte, es gäbe diese Konkurrenz zwischen seiner Familie und der Familie Yithra einfach nicht. Doch es war nun einmal eine Tatsache, ob es ihm gefiel oder nicht. »Sonst noch was?«

    »Ihr Bruder Perto hat die Ersatzteile für die Motoren aus Azras mitgebracht«, sagte Walare, in dessen Stimme plötzlich ein grimmiger Unterton mitschwang. »Und dazu einen Passagier: eine verletzte Frau, die sie auf der Straße aufgelesen haben.«
    Daulo richtete sich leicht auf. »Eine Frau? Wen denn?«
    »Niemand im Haus kennt sie.«
    »Papiere?«
    »Nichts.« Walare zögerte. »Vielleicht hat sie die verloren. Sie hat offensichtlich einiges durchgemacht.«
    Daulo runzelte die Stirn. »Als da wäre?«
    Walare atmete tief durch. »Der Fahrer meinte, sie sei mindestens einmal von einem Kriszahn mit seinen Krallen angefallen worden … außerdem wurde sie von einem Baelcra zerkratzt und von einem oder mehreren Monotas gestochen.«
    Daulo spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. »Herr im Himmel«, murmelte er, »und sie lebt noch immer?«
    »Als man sie zum Haus brachte, ja«, sagte Walare. »Aber wer weiß, wie lange noch?«

52
    Ein paar Minuten später erreichten sie das Haus. Walare lenkte den Wagen durch die Tore, wunderschöne filigrane Schmiedearbeiten, zu der breiten Garage, die verborgen hinter einem Paar Obstbäumen in einer Ecke des zentralen Innenhofes stand. Daulo wurde flau im Magen, während er auf den Frauenflügel zuging und sich den grauenvollen Anblick vorstellte, der ihn erwartete.
    Nur um festzustellen, dass seine Befürchtungen umsonst gewesen waren.
    »Mehr ist ihr nicht passiert?«, fragte er und betrachtete stirnrunzelnd die Frau auf dem Bett in der anderen Hälfte des Zimmers. Umringt von drei weiteren Frauen und einem Arzt lag sie da, die Decke bis zum Hals hinaufgezogen, und doch war klar, dass sie keinesfalls so übel zugerichtet war, wie er erwartet hatte. Unter der dicken Heilsalbe waren in ihrem Gesicht eine Reihe tiefer Kratzer zu sehen, und auf ihrem Arm ein paar eher noch schlimmere, die gerade behandelt wurden. Aber davon abgesehen …
    Daulos Mutter, die auf der anderen Seite des Bettes saß, hob den Kopf und blickte ihn an. »Bleib bitte zurück«, sagte Ivria Sammon leise. »Der Staub auf deiner Kleidung …«
    »Verstehe«, nickte Daulo. Er betrachtete die Wunden noch einmal, dann kamen seine Augen zum ersten Mal auf ihrem Gesicht zur Ruhe. Ungefähr in seinem Alter, schätzte er, war ihre Haut so hell, als würde sie nur

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