Cobra
Alarmbereitschaft, die Tür und trat hinaus.
Sie befand sich ungefähr in der Mitte eines langen Ganges, dessen gedämpfte, indirekte Beleuchtung hell genug war, dass sie ohne ihre Verstärker sehen konnte. Zu beiden Seiten gab es auf halbem Weg einen bogenförmigen Durchgang, der vom Hof fortführte, vielleicht zu Suiten, die noch größer waren als ihre. Die Verzierungen waren kunstvoll, überall sah sie filigrane Arbeiten in Gold und Purpur.
All dies registrierte sie nur am Rand. Ihr Hauptaugenmerk war auf das Ende des Ganges gerichtet, auf die beiden Männer in Uniform, die dort standen.
Beide mit einem silbrig blau glitzernden Mojo auf der Schulter.
Eine Sekunde lang zögerte Jin, aber jetzt war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Die Wachen hatten sie gesehen, und obwohl sie bislang offenbar nicht mehr als ein mildes Interesse bei ihnen geweckt hatte, würde ein erneutes Verschwinden in ihrem Zimmer mit einiger Sicherheit ihre Neugier erregen. Die andere Richtung …? Doch ein Blick nach hinten ergab, dass an diesem Ende des Flures ebenfalls zwei Soldaten standen. Sie biss die Zähne zusammen und ging, so lässig wie nur irgend möglich, den Flur entlang.
Die Wachen musterten sie, während sie sich ihnen näherte. Einer von ihnen löste sich von der hinteren Wand und trat einen Schritt vor, als sie die beiden erreicht hatte.
»Seien Sie gegrüßt, Jasmine Alventin«, sagte er und berührte mit den Fingern seine Stirn. »Wir stehen zu Ihrer Verfügung. Wohin möchten Sie zu dieser späten Stunde?«
»Ich bin aufgewacht«, erklärte Jin, »und konnte nicht wieder einschlafen, da dachte ich, es würde helfen, wenn ich ein wenig herumspaziere.«
Falls das dem Wachmann seltsam vorkam, dann war es seiner Miene nicht anzumerken. »Im Haus ist kaum noch jemand wach«, sagte er, während er den Flur hinunterblickte und schnell eine Folge von Handzeichen machte. Jin sah um die Ecke, erkannte, dass der Flur sich in diese Richtung krümmte – wahrscheinlich folgte er der äußeren Begrenzung des Hofes, die sie von ihrem Fenster aus sehen konnte. Ganz hinten am Ende dieses Flures stand eine weitere Doppelwache. Einer der Männer winkte jemandem zu, der hinter der Ecke stand. Auch diese beiden waren mit Mojos ausstaffiert. »Ich werde nachsehen, ob jemand aus der Familie Sammons Sie empfangen kann«, erklärte Jins Wachmann.
»Das ist wirklich nicht nöt…«, setzte Jin an.
Aber es war zu spät. Der Wachmann ganz hinten machte bereits Zeichen in ihre Richtung. »In Kruin Sammons Privatbüro brennt Licht«, informierte er Jins Wachmann. »Der Mann dort hinten wird Sie begleiten.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, protestierte Jin, der ihr Puls in den Ohren dröhnte. Wenn dies derselbe Kruin Sammons war, den man bereits als Patriarchen dieser Familie identifiziert hatte … »Ich möchte keine unnötigen Unannehmlichkeiten machen.«
»Kruin Sammon wird benachrichtigt werden wollen, dass Sie Gesellschaft suchen«, ermahnte er sie sanft, und Jin verkniff sich jedes weitere Widerwort. Die Wachen hatten zweifellos ihre Befehle, was sie betraf … außerdem würde ein plötzlicher Rückzieher in dieser Situation den falschen Eindruck erwecken.
»Danke«, sagte sie zwischen zusammengepressten Lippen hindurch. Sie zwang sich, fest aufzutreten, und machte sich auf den Weg, den langen Flur entlang, hin zu den Soldaten und den Mojos, die dort warteten …
Kruin Sammon lehnte sich in seinen Polstern zurück, und in seinem Gesicht spiegelten sich sowohl Ärger als auch Nachdenklichkeit. »Wie weit bist du gefahren?«
»Die gesamte Straße hinunter bis nach Shaga, und dann hinauf bis Tabris«, erklärte Daulo. »Gefunden haben wir absolut nichts. Kein Wagen, keine Leichen, keine Spuren, wo ein Fahrzeug wie ein Bololin in den Wald hineingerauscht sein könnte.«
Kruin seufzte und nickte. »Und? Was schließt du daraus?«
Daulo zögerte eine Sekunde. »Sie lügt«, sagte er schweren Herzens. »Sie hat den Unfall vorgetäuscht, sich die Verletzungen vielleicht sogar selbst zugefügt, um sich damit Zutritt zu unserem Haus zu verschaffen.«
»Ich sehe nichts, was gegen deine Ansicht spricht«, gab Kruin ihm Recht. »Trotzdem erscheint mir der Aufwand sehr groß, bei dem geringen Nutzen. Es gibt doch sicherlich viele einfachere Möglichkeiten, wie sie ihr Ziel hätte erreichen können.«
Daulo schürzte die Lippen. Das war genau der Punkt, der ihm ebenfalls noch ziemlich unklar war. »Ich weiß, mein Vater.
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