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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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sich Vorwürfe, als sie Kruins Gemächer verließen und den Flur entlang auf eine reich verzierte Treppe zusteuerten. Einfach großartig. Ein Spaziergang im Mondschein mit dem Sohn des Obermackers aus dem Dorf, dazu ein Gespräch über eine Heimatstadt, in der du noch nie gewesen bist. Ein toller Anfang für deine Mission, Mädchen.
    Doch dann legte sich die anfängliche Panik langsam, und ihr wurde klar, dass es gar nicht so schlimm war, wie es sich anhörte. Sie hatte Hunderte von Satellitenfotos der qasamanischen Städte studiert, wichtiger noch, sie hatte sämtliche Vids gesehen, die man mit Hilfe von Onkel Joshuas zusätzlichen »Augen« aufgenommen hatte, als er und ihr Vater sich vor dreißig Jahren in Sollas aufgehalten hatten. Was immer sich seitdem verändert hatte, sie brauchte ihre Geschichte wenigstens nicht von Grund auf zu erfinden.
    Wenn es auch gewiss sicherer wäre, das Gespräch ganz von Sollas abzubringen … und dabei vielleicht mit ihren eigenen Nachforschungen zu beginnen.
    Im Gehen warf sie über die Schulter einen Blick auf die abziehenden Wachen und tat, als erschaudere sie. »Etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Daulo.
    »Ach, nein«, versicherte sie ihm und atmete tief durch. »Nur … die Mojos. Sie machen mir ein wenig angst.«
    Daulo warf ebenfalls einen Blick nach hinten. »Mojos sind unverzichtbar«, meinte er scharf. »Oder wäre es Ihnen lieber, wenn wir unser Haus nicht so gut wie möglich schützen würden?«
    »Nein, so war das nicht gemeint.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe, weshalb Sie sie brauchen – so tief in den Wäldern. Ich bin es einfach nicht gewöhnt, gefährliche Tiere so nah um mich zu haben.«
    Daulo schnaubte. »Die Bololinherden, die Sie durch Sollas trampeln lassen, gelten nicht als gefährlich?«

    »Die Klügeren von uns halten sich so weit entfernt von ihnen wie nur möglich«, erwiderte sie.
    »Das lässt Bürgermeister Capparis und seine Leute vermutlich doppelt dumm erscheinen.«
    Jin bekam einen trockenen Mund. Wer zum Teufel war Bürgermeister Capparis? Irgendjemand, den sie kennen müsste? »Wie meinen Sie das?«, fragte sie vorsichtig.
    »Nun, er besitzt einen Mojo und nimmt mit seinen Leuten am Bololinschießen teil, wenn sie durch die Stadt ziehen«, brachte Daulo genervt hervor. »Oder zählt Azras hier am Ende des Ostarms mit uns Provinzlern nicht einmal als Stadt?«
    Jin atmete innerlich auf. Azras, den Namen kannte sie: die Stadt im Fruchtbarkeitsbogen, ein Stück südöstlich von hier, etwa fünfzig Kilometer südwestlich des geheimnisvollen Lagers – nur um dort einen Blick hineinzuwerfen, war sie überhaupt hergekommen.
    Und mit dieser nützlichen Information in der Hand erschien es klug, einen vorsichtigen Rückzieher zu versuchen. »Verzeihen Sie mir«, meinte sie zu Daulo. »Ich wollte nicht anmaßend klingen – oder als hätte ich Vorurteile.«
    »Schon gut«, murmelte er und klang dabei ein wenig verlegen. Sie erreichten das untere Ende der Treppe, und er steuerte auf eine große Doppeltür zu. »Ich hätte auch nicht so heftig reagieren sollen. Nur bin ich es leid, wie in den Städten ständig auf der Mojofrage herumgeritten wird. Vielleicht machen sie in Sollas mehr Ärger als die Mühe wert ist, aber wenigstens braucht man sich dort keine Sorgen wegen Razorarmen und Kriszähnen zu machen.«
    »Natürlich«, murmelte Jin. Wenigstens in einer Stadt waren also die Mojos, die früher allgegenwärtig waren, in den vergangenen dreißig Jahren praktisch völlig verschwunden. Wie weit hatte dieser Trend sich bis in die Siedlungen fortgesetzt? »Nehmen Sie sie meist nur dann mit, wenn Sie das Haus verlassen?«, fragte sie.
    Dabei bemerkte sie, dass die Doppeltür, die nach draußen führte, im Gegensatz zu den Fluren oben unbewacht war. Daulo
öffnete sie eigenhändig, dabei warf er ihr einen seltsamen Blick zu. »Die Menschen, die sich für den Besitz eines Mojos entscheiden, tragen sie, wann und wie es ihnen beliebt«, sagte er. »Manche nur außerhalb der Mauern, andere ständig. Finden alle Einwohner von Sollas diese Vögel so interessant?«
    Jin trat hinaus in die Dunkelheit des Innenhofes und war dankbar, dass in der Finsternis nicht zu erkennen war, wie sie errötete. »Entschuldigen Sie – ich wollte Sie nicht langweilen. Ich war einfach nur neugierig. Wie gesagt, ich habe nicht viel Erfahrung mit Mojos.«
    Daulo erwiderte einen Augenblick lang nichts, und Jin nutzte die Gesprächspause, um sich umzusehen. Der

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