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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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öffnete sich diese schwungvoll, und zwei Frauen und ein Mann traten ein.
    Die erste Frau hatte das Sagen in der Gruppe – das ging sofort überdeutlich aus ihrer kostbaren Kleidung und ihrem fast majestätischen Auftreten hervor. Sie war eine Frau, die, wie Jin sofort erkannte, von ihrer Umgebung Respekt verlangte und das auch von einem Fremden in ihrem Haus. Die zweite Frau stellte eher das völlige Gegenteil dar: jung und schlicht gekleidet, trat sie auf wie ein Mensch, dessen Rolle es war, unauffällig seinen Pflichten nachzugehen. Eine Hausangestellte, dachte Jin im Stillen. Oder eine Sklavin. Und der Mann …
    Seine Augen hatten etwas Fesselndes. Buchstäblich – Jin brauchte eine volle Sekunde, um ihren Blick aus diesen dunklen Fallen zu befreien und den Rest des Mannes flüchtig zu mustern.
Er war jung – in ihrem Alter, vielleicht ein, zwei Jahre jünger -, legte aber dasselbe majestätische Gebaren an den Tag wie die ältere Frau. Und ihre Gesichtszüge ähnelten sich. Vielleicht waren sie verwandt?, überlegte sie. Gut möglich.
    Die ältere Frau blieb einen Meter von Jin stehen und neigte den Kopf zu einer knappen Verbeugung. »Im Namen der Familie Sammon«, sagte sie mit kühler, beherrschter Stimme, »begrüße ich Sie und heiße Sie willkommen.«
    Ihr Gesicht verriet, dass sie etwas erwartete … einer Eingebung folgend, wiederholte Jin die Geste mit den Fingerspitzen zur Stirn, die Gissella ihr gegenüber bereits gemacht hatte. Es schien zu funktionieren. »Ihre Gastfreundschaft ehrt mich.« Diese Erwiderung war nicht die vorgeschriebene – so viel war den Mienen der anderen sehr schnell zu entnehmen. Doch schienen sie eher überrascht als erbost zu sein, und Jin drückte sich in Gedanken die Daumen, dass die Geschichte, die sie sich ausgedacht hatte, diese kleinen Entgleisungen erklären würde. »Ich bin Jasmine, Tochter von Justin Alventin.«
    »Ich bin Ivria Sammon«, stellte die ältere Frau sich vor. »Frau von Kruin Sammon und Mutter seiner Erben.« Sie deutete auf den jungen Mann, der neben ihr stand. »Das ist Daulo, der erste Sohn und Erbe von Kruin Sammon.«
    »Ihre Gastfreundschaft ehrt mich«, wiederholte Jin und berührte erneut mit den Fingern die Stirn.
    Zur Antwort nickte Daulo. »Ihre Gebräuche und Manieren weisen Sie als Fremde in diesem Teil von Qasama aus«, fuhr Ivria fort und sah ihr dabei ohne jede Regung in die Augen. »Wo sind Sie zu Hause, Jasmine Alventin?«
    »Ich habe mich an vielen verschiedenen Orten aufgehalten«, sagte Jin, die Mühe hatte, Stimme und Mimik zu beherrschen. Dies war der heikelste Teil. Egal, was sie jetzt sagte, die Lüge ließe sich letzten Endes immer aufdecken, falls man es nur hartnäckig genug versuchte. In Anbetracht dessen würde sie vielleicht am besten durchkommen, wenn sie vorgab, aus einer der Städte zu stammen, wo die größere Bevölkerungsdichte jede
Nachforschung zumindest erschweren würde. »Zurzeit lebe ich in der Stadt Sollas.«
    Einen einzigen fürchterlichen Augenblick lang glaubte sie, einen Fehler gemacht zu haben. War Sollas in den Jahren nach dem ersten Besuch ihres Vaters auf Qasama vielleicht zerstört worden? Der harte Zug, der sich auf Ivrias Gesicht zeigte …
    »Eine Städterin«, meinte Daulo verdrießlich.
    »Städterin oder nicht, jetzt ist sie unser Gast«, erwiderte Ivria, und Jin begann wieder zu atmen. Was immer sie an Vorbehalten gegen Städte haben mochten, wenigstens dachte man nicht, Jin stamme von einer anderen Welt. »Sagen Sie, Jasmine Alventin, was führt Sie nach Milika?«
    »Da bin ich also gelandet, ja?«, fragte Jin. »Milika? Ich wusste nicht, wo das lag, bevor man mich – bei dem Unfall hatte unser Wagen einen Totalschaden …« Sie schüttelte sich unfreiwillig, als die Bilder des Shuttlewracks ungebeten vor ihr inneres Auge zogen.
    »Wo ist der Unfall passiert?«, fragte Ivria. »Auf der Straße nach Shaga?«
    Jin machte eine hilflose Handbewegung. »Ich weiß wirklich nicht genau, wo wir waren. Meine Begleiter – mein Bruder Mander und zwei andere – haben im Wald nach Insekten gesucht, die sie in ihr Labor bringen wollten.«
    »Waren Sie etwa zu Fuß im Wald unterwegs?«, fuhr Daulo auf.
    »Nein«, beruhigte Jin ihn. »Mander studiert Insekten, er versucht, hinter ihre Geheimnisse zu kommen und sie nutzbar zu machen. Er besitzt – oder besaß, ich nehme an, jetzt ist es kaputt – ein speziell angefertigtes Fahrzeug, das zwischen den Bäumen und durchs Unterholz im Wald manövrieren

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