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Cobra

Titel: Cobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Zahn
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Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie leckte sich über die Lippen, krümmte ihre Finger zu servoverstärkten Krallen und begann den langen Abstieg hinab über die steinernen Verzierungen.
    Sie hatte den Abstand fast um ein volles Stockwerk verringert, als ihre akustischen Verstärker wahrnahmen, wie das Außentor aufging. Sie biss die Zähne aufeinander und ließ sich fallen. Als Daulo nach ihr suchen kam, saß sie auf einer niedrigen Bank unter einem duftenden Baum und wartete auf ihn.

    »Sind Sie unverletzt?«, fragte sie.
    »Aber sicher.« Er nickte. »Es war bloß ein Razorarm, der in der Mauer hängen geblieben war. Wir haben ihn problemlos eingefangen.«
    »Das ist gut«, meinte Jin und stand auf. »Na dann – ich nehme an …«
    Sie brach unvermittelt ab, als der Innenhof ringsum leicht zu kippen schien. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«, fragte er erschrocken, eilte zu ihr und packte ihren Arm.
    »Ein plötzlicher Schwindelanfall«, sagte Jin und schluckte trocken. Ihre Servos hatten zwar den größten Teil der Arbeit geleistet, trotzdem hatte sie der Ausflug aufs Dach offenbar mehr Kraft gekostet als vermutet. »Ich bin wohl doch noch nicht wieder so fit, wie ich geglaubt habe.«
    »Soll ich eine Trage kommen lassen?«
    »Nein, nein, es wird schon gehen«, beruhigte sie ihn. »Vielen Dank für Ihre Begleitung – hoffentlich habe ich nicht zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch genommen.«
    »Es war mir ein Vergnügen, Jasmine Alventin. Kommen Sie jetzt …«
    Er bestand darauf, sie zu ihrer Suite zurückzubringen, obwohl sie beteuerte, dass es ihr besser ging. Dort angekommen, wollte er auch noch Asya wecken, und es erforderte einen guten Teil von Jins Überredungskünsten, bis sie ihn nach mehreren Minuten geflüsterter Debatte überzeugt hatte, dass sie es ohne weitere Hilfe von der Tür bis ins Bett schaffen würde.
    Noch lange nachdem die Schritte auf dem Flur verhallt waren, starrte sie an die Decke über ihrem Bett, lauschte auf das Klopfen ihres Herzens und dachte über diese Schnellfeuerwaffen nach. Eine Weile hatte sie hier tatsächlich angefangen, sich im Luxus des Sammon’schen Hauses zu entspannen … aber das Gefühl der Behaglichkeit war jetzt dahin. Der gesamte Planet Qasama ist ein einziges, großes feindliches Lager, hatte ihnen Layn immer wieder eingeschärft.
    Jetzt war sie zum allerersten Mal selbst davon überzeugt.

56
    Sie erwachte, als der köstliche Duft von warmem Essen in ihr Bewusstsein drang, öffnete die Augen und fand ein wahrhaft gewaltiges Frühstück auf dem Tisch neben dem Fenster vor. »Asya?«, rief sie, stieg aus dem Bett und tappte hinüber zum Tisch.
    »Ich bin hier, Miss«, sagte Asya, kam aus dem Zimmer nebenan und berührte mit den Fingerspitzen ihre Stirn. »Wie kann ich Ihnen dienen?«
    »Erwarten wir Besuch zum Frühstück?«, fragte Jin und deutete auf den Berg von Essen.
    »Es wurde auf Anordnung von Meister Daulo Sammon heraufgeschickt«, erklärte Asya. »Vielleicht war er der Ansicht, dass Sie nach Ihrer Krankheit mehr zu essen brauchten. Darf ich Sie daran erinnern, dass Ihre Mahlzeit gestern ebenso groß war?«
    »Gestern lag eine fünftägige Fastenkur hinter mir«, knurrte Jin und starrte voller Verzweiflung auf das fürstliche Mahl. »Wie soll ich das nur alles essen?«
    »Es tut mir leid, wenn Sie nicht zufrieden sind«, sagte Asya und war schon auf dem Weg zum InterKom. »Wenn Sie wollen, lasse ich es abholen und eine kleinere Portion heraufbringen.«
    »Nein, schon in Ordnung«, seufzte Jin. Seit ihrer Kindheit hatte man ihr beigebracht, keine Lebensmittel zu vergeuden, und allein der Gedanke daran ließ schon Schuldgefühle in ihr aufkeimen. Doch daran war jetzt nichts zu ändern. Sie setzte sich, holte tief Luft und machte sich über das Essen her.
    Es gelang ihr, eine beträchtliche Bresche in die vor ihr aufgetürmten Leckerbissen zu schlagen, bevor sie schließlich aufgab. Dabei hatte sie etwas bemerkt, das ihr tags zuvor nicht aufgefallen war: Jede Speise, ob kalt oder warm serviert, behielt während des Essens ihre Temperatur. Ein erstklassiger Trick, und schließlich folgerte sie, es müsse winzige Wärmepumpen oder Mikrowellensysteme
in den Servierschüsseln geben, was ihr jedoch den Geschmack keineswegs verdarb.
    Trotzdem erinnerte es sie auch auf ernüchternde Weise an etwas, das zu vergessen sie die gefährliche Neigung hatte: Die Qasamaner waren trotz ihrer farbigen Gebräuche und kulturellen Unterschiede entschieden keine primitive

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